Niembaum – Der Alleskönner aus der Natur

Niembaum und Niemsamen – Der aus Asien stammende Baum und seine Produkte werden seit der Antike von Menschen vielfältig genutzt.

Niembaum und Niemsamen – Der aus Asien stammende Baum und seine Produkte werden seit der Antike von Menschen vielfältig genutzt. | Bild: somphol – Fotolia

Ob Dornen oder schlechter Geschmack – wenn es um die Abwehr von Fressfeinden geht, ist die Pflanzenwelt kreativ. Ein wahrer Meister natürlicher Abwehrkräfte gegen Insekten und Bakterien ist der Niembaum, welcher ursprünglich aus Indien und Myanmar stammt. Seine Produkte, wie etwa Niemsamen, werden dort seit Jahrtausenden nicht nur als Pflanzenschutzmittel, sondern auch als Allheilmittel genutzt.
Wegen seiner vielfältigen Wirkungen wird der geschützte Baum (botanischer Name Azadirachta indica) auch als „Dorfapotheke“ bezeichnet. Für viele Menschen hat er zudem eine spirituelle Bedeutung.

Die Geschichte der Nutzung des Niembaums ist so alt wie die Medizin

Die erste historisch belegte Nutzung des Niembaums für medizinische Zwecke fand in Südindien statt. Damals wurde dort von den Tamilen die so genannte Siddha-Medizin praktiziert (10.000 – 4.000 v.Chr.), und Niem (Synonym „Neem“) ist die erste in den Manuskripten der dort praktizierenden Siddhar erwähnte Heilpflanze. Die Siddhar waren Heilige, Ärzte, Alchemisten und Mystiker. Sie verwendeten die Blüte des Niembaums zur Behandlung von Gallenstörungen, die Blätter zur Vorbeugung von Geschwüren und die Rinde bei psychischen Erkrankungen, Störungen des ZNS und Lähmungen.

Bedeutung des Niembaums in antiker Religion und Medizin

Die vielseitigen Vorteile und Wirkungen des Niembaums haben sicher auch zu seiner Bedeutung als spirituelles Symbol beigetragen. Der berühmte Yogi Shirdi Sai Baba (ca. 1838 – 1918) lebte in strenger Askese für mehrere Jahre unter einem Niembaum, der ihn vor der Hitze und Sonne schützte. Das Wort „Nimba“ kommt aus der indoarischen Gelehrtensprache Sanskrit, und bedeutet „Heilspender und Krankheitserleichterer“. Die Heilwirkung wurde in der indischen Mythologie übrigens dem Umstand zugesprochen, dass einige Tropfen himmlischen Nektars auf den Baum tropften. Die alten Hindus glaubten auch, dass das Pflanzen des Niembaums den Weg ins Nirvana öffne und dass die Göttin der Pocken „Sithala“ im Niembaum wohne. Kein Wunder – denn traditionell wurden Pocken mit einer Paste aus Niemblättern bestrichen, um diese zum Abheilen zu bringen. Diese positive Wirkung ist mittlerweile durch moderne Versuche bestätigt: Der Niemextrakt zerstört das Virus und verhindert dadurch das Eindringen in nicht infizierte Zellen. Doch auch bei anderen Infektionskrankheiten griff man auf seine heilenden Kräfte zurück, so nämlich bei den in Indien so häufig auftretenden Hauterkrankungen, wie beispielsweise Lepra.

Niembaum – Traditionelle Anwendungen sind weiterhin hoch aktuell

| Bild: Swapan - Fotolia

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Seither ist der Niembaum fester Bestandteil des indischen Alltagslebens. Am indischen Neujahrstag baden viele Hindus in dem Blattabsud des Niems, um symbolisch Seele und Körper zu reinigen. Niemsamen werden als Verdauungsförderer nach einer Mahlzeit eingenommen, Niemöl bei Infektionskrankheiten und Kinderkrankheiten, Tees aus den Blättern zur Anregung des Immunsystems verwendet und Blätterpuder als Bittergewürz eingesetzt. Selbst Mahatma Ghandi und seine Schüler machten es sich zur Gewohnheit, Chutneys aus Niemblättern zu essen, um die eigene Gesundheit zu stärken. Noch heute haben viele Inder keinen Zugang zur Schulmedizin und verwenden Niem zum Kurieren oder Lindern vieler Leiden. Sie bürsten ihr Zahnfleisch mit kleinen Niemzweigen, wie es übrigens über 500 Millionen Menschen weltweit tun, und nutzen so die entzündungshemmende Wirkung der Niemrinde. Zum Schutz vor Kopfläusen, Flöhen und Krätze werden indische Kinder in einem Niemblätteraufguss gebadet. Gegen Wurminfektionen, aber auch gegen andere Erkrankungen wie Malaria, Diabetes, Rheuma und Magengeschwüre sollen Niemblättertee oder Niemsamen helfen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass in Europas Heilkunde Niem reichlich Verwendung fand, bevor es von der Weidenrinde (lateinisch Salicaceae, Salix) aus dem Heilrepertoire verdrängt wurde. Deren synthetisches Pendant Acetylsalicylsäure sollte später noch als schmerzstillendes und fiebersenkendes Medikament große Karriere machen.

Der Niembaum wurde im 20. Jahrhundert zum Exportschlager

Von indischen Emigranten hochgeschätzt, wurde der Niembaum im 20. Jahrhundert in verschiedene Kontinente exportiert. So fand der Baum weite Verbreitung in Australien, Ostafrika, in der Subsahara, Südostasien und Südamerika. Allein in Afrika gelangte er in mehr als 30 Länder. In heißen Ländern gedeiht er besonders gut: 3 Jahre nach Einpflanzung des Samens kann er bis zu 3,5 Meter Höhe erreichen – und, unter optimalen Wachstumsbedingungen, seine übliche Höhe von 20 Metern sogar verdoppeln. Sein schnelles Wachstum macht ihn in Afrika zum idealen Brennstoff- und Tierfutterlieferanten. Er wird dort auch vielfach gepflanzt, um Bodenerosion zu verringern, die Desertifikation (Ausdehnung von Wüsten) zu verlangsamen und damit die Ernteerträge zu verbessern. Er dient als Schattenspender für religiöse Pilger in Saudi-Arabien und als das wichtigste Konservierungsmittel der Entwicklungsländer für Getreide und Hülsenfrüchte. Allein nach landwirtschaftlichen Gesichtspunkten wird dieser Baum also besonders vielseitig eingesetzt. Die Vereinten Nationen (UNO) haben den Niembaum auch deshalb zum „Baum des 21. Jahrhunderts“ ernannt, da er aufgrund seiner Pflanzenschutzwirkung das Potenzial hat, Pestizide zu ersetzen und er dadurch einen enormen Beitrag zur Ernährung der Weltbevölkerung und zum Gleichgewicht des Ökosystems leisten kann. Das befand auch 1992 die US National Academy of Science mit ihrer Einschätzung: „ein Baum zur Lösung globaler Probleme“.

Niemblätter, Niemfrüchte, Niemöl und Niemrinde haben viele therapeutische Wirkungen

In letzter Zeit gab es vermehrt Forschungsvorhaben, die das medizinische Interesse an den Wirkstoffen des Niembaums neu entfacht haben. Zusammenfassend gibt es Hinweise auf folgende Wirkungen:

  • Entzündungshemmend: antibakteriell, antiviral, fungizid (gegen Pilzbefall), antiparasitär
  • Immunsystem stärkend
  • Antioxidativ
  • Antikarzinogen (schützt vor Krebs)
  • Sehr wirksam bei sexuell übertragbaren Krankheiten wie Gonorrhoe (Tripper)
  • Effektiv bei vielen Hauterkrankungen
  • Antidot (Gegengift) gegen Schlangengift
  • Bei Verdauungsstörungen
  • Gut geeignet für die Zahn- und Mundhygiene

Nur organisch angebaute Niemblätter verwenden

Die Blätter des Niembaums sind einfach zu gewinnen und werden für Tinkturen, Extrakte und Dekokte (Teeaufgüsse) verwendet. Verarbeitet man die Blätter zu einem feinen Puder, erhöht sich die Wirkkraft. Das Pulver dient als Basis für kosmetische Produkte, wie Gesichtsmasken, Kräuterumschläge, Bäder, Shampoos, Körperlotionen und in der Mundpflege für Zahnpasten. Daneben wird es noch als Bittergewürz eingesetzt. Da höhere Dosen eine leicht toxische Wirkung haben, wird in Deutschland von einer oralen Einnahme abgeraten! Achten Sie beim Kauf darauf, Bioqualität zu erwerben, um mögliche Schadstoffbelastungen (z.B. Aflatoxine) zu vermeiden.
Niemsamen dienen als Pflanzenpflegemittel und zur Gewinnung von Niemöl
Gemahlene Niemsamen werden in Indien zur Anreicherung des Bodens verwendet. Es können damit aber auch Käferlarven, Raupen, Zikaden, Heuschrecken, Blattläuse, Blattminierer und Wanzen vertrieben werden. Dazu stellt man durch Verrühren der gemahlenen Niemsamen mit Wasser einen Extrakt her. Diesen Effekt können Sie ebenfalls im Garten verwenden. Außerdem enthalten Niemsamen bis zu 45 % des wertvollen Niemöls. Zur direkten Einnahme sind sie aufgrund ihrer enormen Bitterkeit nicht geeignet.

Niemöl – das wiederentdeckte Naturkosmetikum und -therapeutikum

Niemöl vertreibt zuverlässig Zecken und Flöhe bei Haustieren. Bei Menschen schützt es vor Insektenstichen. Neuerdings findet es vermehrt Einzug in Naturkosmetika. So kräftigt es als Bestandteil von Shampoos das Haar und löst Schuppen. Seine desinfizierende, antibakterielle Wirkung macht man sich in Cremes und Tinkturen zur Behandlung von Pickeln zunutze. Brüchige Nägel und rissige Nagelhaut können ebenfalls gut damit behandelt werden. Es gibt darüber hinaus noch viele weitere Anwendungsgebiete für das Niemöl, die sich derzeit in der Entwicklung befinden.

Niembaum-Produkte sind im Hinblick auf jahrtausendealte Erfahrungen in ihrer Anwendung als ungefährlich einzustufen, jedoch sollten Sie unter folgenden Bedingungen trotzdem vorsichtig sein:

  • Nicht anwenden während Schwangerschaft und Stillzeit.
  • Nicht geeignet für Säuglinge und Kleinkinder (obwohl die Anwendung bei Kindern in Indien weit verbreitet ist).
  • Wer sicher gehen möchte, sollte Niembaum-Produkte nicht oral einnehmen. Im Zweifelsfall informieren Sie sich bitte genau über das toxikologische Profil und nehmen Sie diese nur unter Aufsicht von medizinischem Personal ein.

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