Vitamin D und COVID-19: Ein Zusammenhang wird intensiv erforscht

Sonnenbäder sind die beste Methode, um die Vitamin D-Speicher zu füllen.
Sonnenbäder sind die beste Methode, um die Vitamin D-Speicher zu füllen. | Bild: Halfpoint – Adobe Stock

Zahlreiche Beobachtungsstudien berichten über einen Zusammenhang zwischen niedrigen Vitamin D-Spiegeln und der Anfälligkeit für akute Atemwegsinfektionen. Ob das Sonnenvitamin demzufolge bei der Prävention oder dem Verlauf von COVID-19 eine Rolle spielt, wird aktuell intensiv erforscht. Auch wenn die Wissenschaft noch kein klares Fazit ziehen kann: Für eine ausreichende Vitamin D-Versorgung gibt es gute Gründe. Denn nur in den Sommermonaten können wir hierzulande unsere Vitamin D-Speicher durch Sonnenbestrahlung ausreichend auffüllen.

Vitamin D fördert die Einlagerung von Calcium in die Knochen und schützt so vor Rachitis bei Kindern und Osteoporose im Erwachsenenalter. Ob das Sonnenvitamin noch mehr für unsere Gesundheit leistet, wird seit Jahrzehnten intensiv erforscht. Von besonderem Interesse ist aktuell der Zusammenhang von Vitamin D und Atemwegsinfekten und damit möglicherweise auch COVID-19.

Abwehr: Vitamin D unterstützt das Immunsystem

Vor der Entdeckung der Antibiotika wurde Sonnenlicht zur Behandlung der Tuberkulose eingesetzt. An der „Schwindsucht“ Erkrankte schickten Ärzte für eine Lichtkur in Höhenkurorte. Warum sich das Sonnenlicht positiv auswirkte, war damals noch nicht bekannt. Heute wissen wir, dass Sonnenlicht, genauer seine UVB-Strahlung, für die Bildung von Vitamin D in der Haut notwendig ist. Belegt ist auch, dass es dieser Effekt der Lichtkuren war, der den Tuberkulose-Kranken half. Wie Studien zeigen konnten, fördert hochdosiertes Vitamin D als Ergänzung zur Standardbehandlung bei Tuberkulose die Heilung und kann Schäden in der Lunge verringern. Eine Erklärung dafür ist die Rolle von Vitamin D im angeborenen Immunsystem. Es verstärkt vermutlich die Bildung körpereigener Abwehrstoffe (antimikrobielle Peptide, AMP). Diese AMP, die auch als körpereigene Antibiotika bezeichnet werden, sind bei der Abwehr von Mikroorganismen auf Haut und Schleimhäuten unverzichtbar. Doch anders als synthetische Antibiotika töten die Peptide nicht nur Bakterien ab, sondern auch bestimmte Viren.

Atemwegsinfekte: Vitamin D-Mangel macht anfälliger

Von einer einfachen Erkältung bis hin zur Grippe – ob Vitamin D Atemwegsinfekten vorbeugen kann, wurde in zahlreichen Studien untersucht. Um deren widersprüchlichen Ergebnissen auf den Grund zu gehen, wertete Prof. Adrian Martineau, Immunologe an der Queen Mary University of London, in einer Metaanalyse die Daten von 25 klinischen Studien mit über 10.000 Teilnehmern aus. Das Ergebnis: Die zusätzliche Einnahme von Vitamin D reduzierte das Risiko für eine Atemwegsinfektion durchschnittlich um 12 Prozent. Am meisten profitierten jene Studienteilnehmer, die mit einem Wert von unter 25 nmol/l einen starken Vitamin D-Mangel aufwiesen. Wirksamer als hohe Dosierungen in größeren Zeitabständen war dabei eine wöchentliche oder tägliche Einnahme.

COVID-19: Zusammenhang zwischen Vitamin D-Werten und Erkrankungsraten

Das aktuelle Interesse an einem möglichen Zusammenhang zwischen Vitamin D und einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 basiert auf zwei Beobachtungen: Zum einen auf dem Zusammenhang zwischen niedrigen Vitamin D-Spiegeln und einer erhöhten Anfälligkeit für akute Atemwegsinfekte, zum anderen auf schweren Verläufen von COVID-19 in Bevölkerungsgruppen mit häufigem Vitamin D-Mangel. Dazu gehören insbesondere ältere Menschen und Bewohner von Pflegeeinrichtungen. Denn mit zunehmendem Alter lässt die Fähigkeit der Haut, Vitamin D zu bilden, deutlich nach und Pflegebedürftige halten sich zudem seltener im Freien auf.

Eine britische Arbeitsgruppe unter der Leitung von Petre Cristian Ilie vom Queen Elizabeth Hospital in King’s Lynn (Norfolk) hat in 20 europäischen Ländern nach einem möglichen Zusammenhang zwischen der Vitamin D-Versorgung und der Häufigkeit von COVID-19-Infektionen gesucht. Dabei fand sich ein Zusammenhang zwischen niedrigen bis mittleren Vitamin D-Spiegeln und höheren Erkrankungs- und Sterblichkeitsraten. Die Sterblichkeit war in Italien und Spanien besonders hoch. In diesen Ländern sind die Vitamin D-Spiegel im Durchschnitt deutlich niedriger als in den meisten nordeuropäischen Ländern. Als Gründe dafür nennt die Studie, dass sich Südeuropäer eher im Schatten aufhalten und ihre stärkere Hautpigmentierung die Bildung von Vitamin D verringert. In Nordeuropa seien die Menschen durch die Einnahme von Lebertran und Vitamin D-Präparaten sowie die Anreicherung von Milch und Milchprodukten mit Vitamin D (Finnland) besser mit Vitamin D versorgt. Eine Empfehlung zur hochdosierten Vitamin D-Supplementation zum Schutz vor COVID-19 für die gesamte Bevölkerung lasse sich aus diesen Beobachtungen jedoch noch nicht ableiten. Dazu seien weitere Studien zum Vitamin D-Spiegel bei COVID-19-Patienten mit unterschiedlichem Schweregrad nötig.

Vitamin D: Trotz Corona raus ins Freie und Sonne tanken

Sonnenbäder sind die beste Methode, um die Vitamin D-Speicher zu füllen. Unter optimalen Bedingungen, d.h. zwischen 10 und 14 Uhr ein Ganzkörpersonnenbad ohne Sonnenschutzmittel, kann die Haut eines jungen Erwachsenen innerhalb von 15 bis 30 Minuten 10 000 bis 20 000 IE Vitamin D bilden. Aber auch kurze Aufenthalte wie Spaziergänge an der frischen Luft mit 15 bis 25 Minuten Sonneneinstrahlung pro Tag reichen aus, so die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE). Wer sich dagegen kaum oder nur vollständig bekleidet im Freien aufhält oder älter als 65 Jahre ist, braucht gegebenenfalls ein Vitamin D-Präparat, so die DGE. Die Empfehlungen zur Vitamin D-Dosierung sind je nach Fachgesellschaft unterschiedlich. So empfiehlt die DGE 800 IE Vitamin D pro Tag für gesunde Erwachsene, die US-amerikanische Fachgesellschaft für Endokrinologie 1500 bis 2000 IE. Vitamin D-Präparate gibt es in unterschiedlichen Stärken (z.B. Vitamin D3 Hevert mit 1000, 2000 oder 4000 IE pro Tablette). Wer in der aktuellen Corona-Pandemie nur wenig in die Sonne kommt, sollte seinen Arzt um Rat fragen. Er kann anhand der Lebensumstände und des Vitamin D-Status entscheiden, ob und in welcher Menge Vitamin D eingenommen werden sollte.