Erntedankfest 2014: Dankbarkeit macht glücklich und gesund

Mit dem Erntedankfest ist die Dankbarkeit für die reichliche Ernte und die Entlohnung für die schwere Arbeit während des Jahres verbunden.

Mit dem Erntedankfest ist die Dankbarkeit für die reichliche Ernte und die Entlohnung für die schwere Arbeit während des Jahres verbunden. | Bild: fotoknips – fotolia

Schönes Wetter, gutes Essen und freundliche Mitmenschen – viel zu selten sind wir dafür wirklich dankbar. Warum? Dankbarkeit hat einen sehr mächtigen Gegenspieler: Die Selbstverständlichkeit. Am 5. Oktober feiern wir Erntedankfest – eines der ältesten Feste überhaupt. Das ist ein guter Anlass, sich mit der alten Tugend zu beschäftigen. Denn Dankbarkeit macht glücklich und gesund.

Bereits vor mehr als 2.000 Jahren bezeichnete der römische Redner und Konsul Cicero die Dankbarkeit als „Größte aller Tugenden“. Dankbarkeit spielt in den großen Weltreligionen wie dem Judentum, dem Christentum, dem Islam, dem Buddhismus oder dem Hinduismus eine wichtige Rolle. Und Erntedankfeste sind in der jüdischen und christlichen Tradition bis heute fester Bestandteil des jährlichen Festtagsrhythmus. Bei den Christen sind Erntedankfeiern seit dem 3. Jahrhundert nach Christus bekannt. Ursprünglich wurde das Erntedankfest auf Michaelis (29. September) gefeiert. Dass der Erntedanksonntag am ersten Sonntag im Oktober gefeiert wird, geht auf einen Beschluss der deutschen Bischofskonferenz aus dem Jahr 1972 zurück. In evangelischen Gemeinden wird Erntedank immer noch am Michaelstag oder dem darauffolgenden Sonntag gefeiert.

Erntedankfest als Brauchtum

Erntedank ist aber nicht nur ein religiöser Feiertag. Die bäuerliche Erntedankfeier war auch eine Entlohnung für die schwere Arbeit während der Erntezeit. Wie auch heute noch gab es an diesem Tag üppige Speisen und Feste mit Musik und Tanz. Das berühmteste Erntefest ist der Cannstatter Wasen Ende September. Es wurde von dem damaligen württembergischen König Wilhelm I. als Dank für die nach dem schrecklichen Hungerwinter von 1816 wieder bessere Ernte des Folgejahres gestiftet.

Doch was genau ist Dankbarkeit? 1985 definierte der Psychologe Bernhard Weiner das Gefühl der Dankbarkeit folgendermaßen: Zunächst nimmt man ein Ereignis als positiv wahr. Im Anschluss realisiert man, dass dafür jemand oder etwas anderes (anderer Mensch, die Natur, Gott etc.) verantwortlich ist. Heute befasst sich auch die Wissenschaft intensiv mit der Dankbarkeit, weil man sich durch diese Emotion im Sinne der 1998 durch Martin Seligman entwickelten Positiven Psychologie an die schönen Dinge im Leben erinnert. Dadurch wird unsere Sichtweise verändert und Negatives in Positives umgedeutet. Ein Beispiel: Der Schreibtisch quillt über, der Chef ist schlecht gelaunt und die Kollegen nerven – das ist alles nicht angenehm. Trotzdem kann man dankbar sein, überhaupt Arbeit zu haben.

Die Psychologie der Dankbarkeit

Wie sich Dankbarkeit auf Körper und Psyche auswirkt, untersuchten die beiden bekannten amerikanischen Dankbarkeitsforscher Robert Emmons und Michael McCullough anhand von drei experimentellen Studien.

In der ersten Studie wurden 192 Studenten per Zufall einer von drei Gruppen zugeteilt, einer „Dankbarkeitsgruppe“, einer „Ärgergruppe“ und einer „Ereignisgruppe“. Die Studenten mussten über zehn Wochen einmal pro Woche darüber nachdenken, wofür sie dankbar waren (Dankbarkeitsgruppe), worüber sie sich geärgert hatten (Ärgergruppe) oder was während der Woche passiert ist (Ereignisgruppe). Zusätzlich sollten sie die Häufigkeit der in der vergangenen Woche erlebten Gefühle wie Ruhe, Interesse, Dankbarkeit, Stress oder Wut festhalten. Daneben wurden auch Angaben zu physischen Beschwerden, wie beispielsweise Kopf- oder Halsschmerzen, die Reaktion auf angebotene Hilfe in schwierigen Situationen und eine generelle Einschätzung des wahrgenommenen Wohlbefindens erfasst. Das überraschende Ergebnis: Im Vergleich zu den beiden anderen Gruppen zeigte die Dankbarkeitsgruppe weniger physische Beschwerden, war sportlich aktiver und optimistischer bezüglich des wahrgenommenen Wohlbefindens und ihrer Erwartungen für die folgende Woche.

Dankbarkeit erhöht die Hilfsbereitschaft

Dankbare und hilfsbereite Menschen sind glückliche Menschen. Das Erntedankfest erinnert uns an diese Tugend.

Der Feiertag erinnert an das Glück der Dankbarkeit und Hilfsbereitschaft. Bewusst dankbarsein hat viele positive Effekte auf das Wohlbefinden. | Bild: detailblick – fotolia

An der zweiten Studie nahmen 157 Studenten teil, die wiederum auf drei Gruppen verteilt wurden. Anstelle der Ereignisgruppe gab es eine „Sozialvergleichsgruppe“, in der die Teilnehmer darüber nachdenken sollten, worin sie sich besser fühlen als andere (z.B. persönlicher Besitz oder Fähigkeiten). Innerhalb von zwei Wochen wurde täglich ein Bericht abgegeben. Neben den in der ersten Studie erfassten Gemütszuständen und körperlichen Beschwerden, wurden auch die sportliche Aktivität und das Sozialverhalten der Studienteilnehmer erfasst. Und auch in dieser Studie wurde in der Dankbarkeitsgruppe im Vergleich zu beiden anderen Gruppen ein höheres Level an positiven Gefühlszuständen festgestellt. Zudem wirkte sich das Nachdenken über Dinge, für die man dankbar sein kann, positiv auf das Sozialverhalten aus. So gaben die Teilnehmer der Dankbarkeitsgruppe an, andere Menschen häufiger bei Problemen unterstützt zu haben.

Dankbarkeit erhöht auch bei chronisch Kranken das Wohlbefinden

An der dritten Studie nahmen insgesamt 65 Personen mit neuromuskulären Erkrankungen teil. Sie wurden in eine Dankbarkeits- und eine Kontrollgruppe unterteilt. Die chronisch Kranken der Dankbarkeitsgruppe sollten wie zuvor die gesunden Studenten darüber nachdenken, wofür sie dankbar sind. Zudem beschrieben sie über einen Zeitraum von drei Wochen täglich ihre Gefühlszustände, gesundheitsrelevante Faktoren (Menge an Schlaf und erlebte Schmerzen) und das wahrgenommene Wohlbefinden. Die Kontrollgruppe erhielt den gleichen Fragebogen allerdings ohne angehalten zu werden, über Dankbarkeit nachzudenken. Zusätzlich wurde das Wohlbefinden der Studienteilnehmer auch durch eine enge Bezugsperson dokumentiert. Wie schon in der ersten Studie verbesserten sich die wahrgenommene Lebenszufriedenheit und die Erwartungen an die nächste Woche bei der Dankbarkeitsgruppe im Gegensatz zur Kontrollgruppe. Und auch von den Beobachtern wurden die Teilnehmer der Dankbarkeitsgruppe als glücklicher eingeschätzt als die Kontrollgruppe.

forum-box Zwar müssen wie bei vielen psychologischen Studien auch hier die Ergebnisse vor allem im Hinblick auf die Langzeiteffekte mit angemessener Vorsicht interpretiert werden. Denn auch Dankbarkeit kann durch Gewöhnung so selbstverständlich werden, dass die positiven Effekte mit der Zeit immer schwächer werden. Dennoch legen diese Ergebnisse nahe, dass das Nachdenken über Dinge, für die man dankbar ist, das Wohlbefinden steigert.

Und das kann man selbst ganz leicht spüren: Gesundheit, eine intakte Familie, ein schöner Tag in der Natur oder wie beim Brauch des Erntedankfestes eine reiche Ernte – wenn wir uns vor Augen führen, wofür wir dankbar sein können, verspüren wir automatisch Befriedigung und Glück. Durch die körpereigenen Glücksbotenstoffe werden positive Prozesse in Gang gesetzt, der Körper schüttet automatisch weniger Stresshormone aus und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Depressionen wird reduziert.

Doch wie schafft man es dankbarer zu werden? Die Psychologie hat zwei Modelle entwickelt, die dieses positive Grundgefühl fördern sollen: Darüber nachdenken, wofür man dankbar sein kann (Count-your-blessings) und das Gefühl durch Gesten, Gespräche oder andere Botschaften ausdrücken (Expression-of-gratitude). Denn Dankbarkeit macht nicht nur dem Freude, der sie empfindet, sondern auch dem, bei dem man sich bedankt.