Vitamin D spielt eine wichtige Rolle im Immunsystem

Vitamin D
Wer sich kaum oder nur vollständig bekleidet im Freien aufhält oder älter als 65 Jahre ist braucht gegebenenfalls ein Vitamin D-Präparat | Bild: drubig-photo – Adobe Stock

Vitamin D ist vor allem in punkto Knochengesundheit bekannt. Das „Sonnenvitamin“ hat aber – neben vielen weiteren Wirkungen – auch große Bedeutung für das Immunsystem. In den letzten beiden Jahrzehnten gelang es Forschern näher zu entschlüsseln, wie Vitamin D die Immunantwort stärkt und gleichzeitig dafür sorgt, dass diese nicht überhandnimmt und sich gegen den eigenen Körper richtet.

Bereits seit Anfang des 19. Jahrhunderts, lange vor Thomas Manns „Zauberberg“, wurden Lebertran und Sonnenlicht zur Therapie der Tuberkulose eingesetzt. Warum das aus der Leber von Fischen gewonnene Öl und die Lichtkuren den an der „Schwindsucht“ Erkrankten half, war damals noch nicht bekannt. Erst 2006 entdeckten Wissenschaftler den Mechanismus zwischen dem Vitamin D-Stoffwechsel und einer über Fresszellen (Makrophagen) vermittelten verbesserten Infektabwehr gegen das Mycobacterium tuberculosis. Was vielen Tbc-Patienten vor Entdeckung der Antibiotika geholfen hatte, war also das Vitamin D. Es ist in Lebertran reichlich enthalten und wird durch die UV-Strahlung der Sonne in der Haut hergestellt. Seine Wirkung im Körper entfaltet es überwiegend über die Bindung an Vitamin D-Rezeptoren. Da auch diverse Immunzellen mit diesen Rezeptoren ausgestattet sind, wirkt Vitamin D sowohl auf die angeborene als auch die erworbene Immunfunktion.

Vitamin D und das unspezifische Immunsystem

Das unspezifische Immunsystem schützt den Menschen von Geburt an vor Fremdkörpern. Deshalb wird es auch als angeborenes Immunsystem bezeichnet. Von dem spezifischen Immunsystem unterscheidet es sich durch drei Eigenschaften: es ist angeboren, unterscheidet nicht nach verschiedenen Arten von Erregern und es bildet kein immunologisches Gedächtnis. Da es der Erstabwehr dient, stürzt es sich auf alles, das es als fremd erkennt. Daher die Bezeichnung „unspezifisches Immunsystem“. Die Abwehr erfolgt mit Hilfe von Fresszellen, Killerzellen und chemischen Botenstoffen. Zu den Fresszellen gehören verschiedene Arten von weißen Blutkörperchen wie Monozyten. Sie bilden die erste Verteidigungslinie des Körpers gegen Bakterien, Viren, Pilze und Parasiten. Bei Bedarf wandern sie in die verschiedenen Gewebe und wandeln sich dort u. a. unter Einfluss von Vitamin D zu Makrophagen um. Sie nehmen Erreger und Fremdstoffe auf (daher Fresszellen) und vernichten sie. Makrophagen können Vitamin D mithilfe eines Enzyms sogar selbst aktivieren. Neben Immunzellen beeinflusst Vitamin D auch körpereigene Botenstoffe des angeborenen Immunsystems wie antimikrobiell wirkende Peptide (AMP). Sie werden oft als körpereigene Antibiotika bezeichnet und sind bei der Abwehr von Mikroorganismen auf Haut und Schleimhäuten unverzichtbar. Doch anders als Antibiotika, die der Arzt verschreibt, töten die Eiweiße nicht nur Bakterien, sondern auch bestimmte Viren und Pilze ab.

Vitamin D und die spezifische Immunabwehr

Die erworbene Abwehr ist spezifisch, d.h. zur Aktivierung muss vorher Kontakt mit dem Antigen1 stattgefunden haben. Anhand dieses Antigenkontakts „lernt“ das Immunsystem und entwickelt eine Art Langzeitgedächtnis. Vitamin D spielt auch beim erworbenen Immunsystem eine wichtige Rolle: Es wirkt immunregulierend und antientzündlich, beeinflusst die Antikörperbildung und ist von entscheidender Bedeutung für die Funktion der T-Zellen. T-Zellen spielen eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung von Infektionen. Um Infektionen im Körper aufzuspüren und abzuwehren, müssen sich T-Zellen von harmlosen Zellen in aktive Killer verwandeln. Fehlt Vitamin D im Organismus, ist die Zahl und Funktion der natürlichen T-Killer-Zellen herabgesetzt.

Schutz vor akuten Atemwegsinfektionen

Von einer einfachen Erkältung bis hin zur Grippe – dass es einen Zusammenhang zwischen einer ungenügenden Vitamin D-Versorgung und einer erhöhten Anfälligkeit für Atemwegsinfekte gibt, ist bekannt. So konnte in einer Studie die tägliche Gabe von 1.200 IE Vitamin D bei Schulkindern das Risiko für eine Wintergrippe um 42 Prozent senken. Eine Meta-Analyse aus dem Jahr 2017 konnte zeigen, dass die Einnahme von Vitamin D sicher und wirksam akuten Atemwegsinfektionen vorbeugt. Am meisten profitierten die Teilnehmer, die zuvor einen ausgeprägten Vitamin D-Mangel hatten und die täglich oder wöchentlich Vitamin D erhielten. Ist der Körper ausreichend mit Vitamin D versorgt, produzieren bestimmte Immun- und Killerzellen bei akuten Atemwegserkrankungen laut einer Forschungsarbeit vom April diesen Jahres weniger entzündungsfördernde Stoffe. Dadurch reduziert sich das Risiko für eine Schädigung der Atemwege und für eine Überreaktion des Immunsystems.

Noch bis Oktober reicht in Deutschland die Stärke der Sonnenbestrahlung für eine ausreichende Versorgung mit Vitamin D durch die körpereigene Bildung über die Haut aus. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt dafür Aufenthalte wie Spaziergänge an der frischen Luft mit 15 bis 25 Minuten Sonneinstrahlung pro Tag. Wer sich dagegen kaum oder nur vollständig bekleidet im Freien aufhält oder älter als 65 Jahre ist braucht gegebenenfalls ein Vitamin D-Präparat, so die DGE. Die Empfehlungen zur Vitamin D-Dosierung sind je nach Fachgesellschaft sehr unterschiedlich. So empfiehlt die DGE 800 IE Vitamin D pro Tag für Erwachsene, die US-amerikanische Fachgesellschaft für Endokrinologie 1500 bis 2000 IE. Vitamin D-Präparate gibt es in unterschiedlichen Dosierungen (z.B. Vitamin D3 Hevert mit 1000 IE, 2000 IE oder 4000 IE pro Tablette und als 1000 IE Spray). Die optimale persönliche Dosierung sollte mit dem Arzt oder Apotheker besprochen werden.

1Als Antigen werden Fremdstoffe wie Keime, Erreger, Giftstoffe bezeichnet, die in den Körper gelangt sind und eine Immunreaktion (z.B. Antikörperbildung) auslösen können.