Kinderbetreuung: Trotz Beruf mehr Zeit für Kinder

Je höher der Bildungsgrad der Eltern, desto mehr Zeit verbringen sie später mit ihren Kindern.

Trotz steigender Beanspruchung im Job verbringen Eltern heutzutage mehr Zeit mit ihren Kindern als früher.| Bild: goodluz – Fotolia

Immer mehr Frauen mit Kindern arbeiten heutzutage. Die Vermutung, dass Eltern deshalb weniger Zeit mit Kinderbetreuung verbringen, liegt nahe. Doch das Gegenteil ist der Fall: Mütter und Väter nehmen sich heute trotz steigender Arbeitsbelastung mehr Zeit für ihre Kinder als noch vor 60 Jahren. Das stellt hohe Anforderungen an die Organisation von Familie und Beruf.

Laut einer Untersuchung stieg die Zeit, die berufstätige Mütter ihren Kindern widmen, von 54 Minuten pro Tag im Jahr 1965 auf 104 Minuten pro Tag im Jahr 2012. Väter kümmern sich heute viermal so viel um ihren Nachwuchs, nämlich 59 Minuten pro Tag gegenüber 16 Minuten pro Tag im Jahr 1965. In einer Studie der Universität von Kalifornien in Irvine verglichen die Soziologinnen Giulia Maria Dotti Sani und Judith Treas die aufgezeichneten Tagebuch-Daten von 122.300 Müttern und Vätern, die mindestens ein Kind unter 13 Jahren hatten. Darin haben die Eltern festgehalten, wie viel Zeit sie für Essen vorbereiten, füttern, baden, nachts aufstehen, Kinder trösten, Hilfe bei den Schulaufgaben und mit ihnen spielen verbringen. Das Datenmaterial stammt aus elf westlichen Ländern, darunter auch Deutschland.

Je höher die Bildung umso mehr Zeit für Kinder

Akademiker-Mütter widmen im Schnitt 123 Minuten pro Tag ihren Kindern, Väter mit Hochschulabschluss 74 Minuten. Mütter aus sozial schwächeren Schichten investieren 94 Minuten täglich in die Kinderbetreuung, weniger gebildete Väter im Schnitt nur 50 Minuten. Laut einer Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB), die im Januar 2017 vorgestellt wurde, bedauern vor allem Männer, dass sie nicht mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen können. Aus der Befragung mit rund 800 berufstätigen Elternpaaren sind überlange Arbeitszeiten und die angebotenen Arbeitszeitmodelle schuld daran, dass Väter sich nicht stärker an der gemeinsamen Aufgabe der Kinderbetreuung beteiligen können. Männer wünschen sich mindestens drei Monate Elternzeit. Demgegenüber steht, dass 83 Prozent der Väter keine oder höchsten zwei Monate Elternzeit genommen haben. Für eine gleichmäßige Verteilung der beruflichen und familiären Pflichten sprachen sich 35 Prozent der Mütter und 42 Prozent der Väter aus.

Aufgabenteilung in Familie und Beruf

Die Aufgabenteilung in Familien mit Kindern hängt im Wesentlichen von finanziellen und emanzipatorischen Fragestellungen ab. Waren 2008 laut einer Untersuchung des Marktforschungsinstituts Ipsos noch 70 Prozent der Befragten der Auffassung, dass ein Elternteil, in aller Regel die Frau, wegen der Kinder auf ihren Beruf verzichten sollte, sprachen sich dafür 2013 nur noch 52 Prozent aus. Zugleich stieg die Zahl der Familien, in denen beide Eltern berufstätig waren, kontinuierlich an. 1996 waren 55 Prozent der Mütter aktiv im Beruf, 2013 waren es bereits 60,3 Prozent. Dabei zeigte sich ein Trend bei den Müttern von weniger Vollzeit zu mehr Teilzeitarbeit: 26,6 Prozent der Frauen mit Kindern unter drei Jahren waren 1996 erwerbstätig, 47,5 Prozent von ihnen in Vollzeit und 52,5 in Teilzeit. 2013 waren schon 31,7 Prozent der Mütter mit Kindern unter drei Jahren im Beruf, davon 29,6 in Vollzeit und 70,4 Prozent in Teilzeit. Mütter, die ein abgeschlossenes Studium aufweisen oder vor der Geburt in leitender Stellung tätig waren, kehren nach der Elternzeit eher wieder in eine Vollzeit-Tätigkeit oder längere Teilzeit-Tätigkeit zurück. Ihr Anteil liegt bei 37 Prozent. Die Studie „Weichenstellungen für die Aufgabenteilung in Familie und Beruf“ hat das Institut für Demoskopie Allensbach 2014 im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend untersucht. 2.080 Paare wurden zu ihren Entscheidungsprozessen und der konkreten Aufgabenteilung zwischen Beruf und Familie befragt. Demnach haben sich 90 Prozent der Eltern bereits vor oder zu Beginn der Schwangerschaft darauf geeinigt, ob nach der Elternzeit die Mutter wieder arbeiten geht und in welchem Umfang.

Kinderbetreuung: Beteiligung der Väter

Hier gehen die Einschätzungen auseinander, je nachdem wer gefragt wird. Männer übernehmen den Hauptanteil der Kinderbetreuung meinen sieben Prozent der befragten Männer, aber nur vier Prozent der Frauen. Gleichmäßig aufgeteilt ist die Kinderbetreuung für 20 Prozent der Männer, aber nur für 13 Prozent der Frauen. Die Familienarbeit wird heute immer noch weitestgehend von den Müttern geleistet, insgesamt sind etwa 75 Prozent der Väter zu weniger als der Hälfte an der Kinderbetreuung beteiligt. Kein Wunder ist es daher, dass von der Doppelbelastung durch Familie und Beruf in erster Linie Mütter betroffen sind. Jedoch kommen immer mehr Männer, so die Erfahrung der Elternberatungsstelle der Caritas in Bonn, zusammen mit ihren Frauen zur Beratung. Viele von ihnen suchen Hilfe für ihr Zeitmanagement.

Doppelbelastung von Familie und Beruf überfordert nicht nur Frauen

Wie das Müttergenesungswerk (MGW) in seinem Jahresbericht feststellte, haben 2015 rund 49.000 Frauen eine Kur gemacht, der Löwenanteil, nämlich 90 Prozent, wegen Erschöpfung. Anzeichen für die Überforderung waren häufig Rückenprobleme, Kopfschmerzen, Allergien, Stimmungsschwankungen, Schlafstörungen und/oder Angstzustände. Nach Angaben des MGW sind in Deutschland rund 2,1 Millionen Mütter bis an ihre Belastungsgrenze gefordert. Aber auch Männer beantragten immer häufiger eine Auszeit in einer Klinik des MGW. Die jährlichen Steigerungsraten liegen hier im zweistelligen Bereich.

Mit der richtigen Organisation und der klaren Aufteilung der Familienarbeit kann die Doppelbelastung von Familie und Beruf auf mehrere Schultern verteilt werden. Da aber Unvorhergesehenes sehr oft die Absprachen über den Haufen wirft, müssen diese immer wieder überprüft und neu angepasst werden. Das gelingt nur im Gespräch, Schuldzuweisungen sind hier nicht förderlich. Da nicht alles perfekt erledigt werden kann, müssen Prioritäten gesetzt werden und Dinge auch mal unerledigt bleiben. Nein-Sagen-Können ist dabei eine nützliche Eigenschaft.

Gestresste Eltern können Beratungsstellen aufsuchen, die von unterschiedlichen Organisationen angeboten werden. Sie unterstützen Mütter und Väter dabei, die Balance zwischen Familie und Beruf erfolgreich herzustellen. Auch die folgenden Internet-Seiten geben wertvolle Tipps: www.vaeter.de, www.familie-und-arbeitswelt.de und www.mittelstand-und-familie.de/links#Verbaenden

Aber auch Bücher können Hilfestellung geben. Hier eine kleine Auswahl:

  • Hans Jellouschek. Wie Liebe, Familie und Beruf zusammengehen. Partnerschaft heute. Verlag Herder 2004
  • Susanne Reinhardt und Dieter Voss. Der Familien-Manager: Den Haushalt effektiv organisieren und planen. MVG Verlag 2015
  • Stefanie Lohaus und Tobias Scholz. Papa kann auch stillen: Wie Paare Kind, Job & Abwasch unter einen Hut bekommen. Goldmann Verlag 2015
  • Annika Joeres. Vive la famille. Was wir von den Franzosen übers Familienglück lernen können. Verlag Herder 2015