Buchmesse 2015: Fördern digitale Medien die digitale Demenz?
Wenn am 14. Oktober die Frankfurter Buchmesse startet, werden neben Neuerscheinungen bei gedruckten Büchern wieder viele Neuheiten auf dem eBook-Markt zu sehen sein – auch für Kinder. Neben „digital Native“ kommen jedoch auch Begriffe wie „digitale Demenz“ oder „Online Overkill“ auf. Machen digitale Medien wirklich dumm, aggressiv, dick, einsam oder krank, wie warnende Stimmen behaupten?
Ob multimediale Lese-, Mal- oder Bilderbücher für Kinder, interaktive Lehrbücher für Schüler und Studenten, eBook-Reader mit Vorlesefunktion oder neue Plattformen für Social Reading (1). Die heutige Generation ist von klein auf von digitalen Medien umgeben und mit ihnen vertraut.
Unbestritten hat das Internet Arbeit, Kommunikation, Lese- und Lernverhalten oder – anders ausgedrückt – das tägliche Leben verändert. Sind die Warnungen des Hirnforschers Prof. Manfred Spitzner in seinem Buch „Digitale Demenz – Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen“ gerechtfertigt? Abschließend beantworten kann das wohl niemand, noch sind die Langzeitfolgen der digitalen „Revolution“ nicht absehbar. Aber zu einzelnen Aspekten gibt es durchaus wissenschaftliche Untersuchungen.
Machen digitale Medien …
… dumm? Diese Behauptung ist nicht haltbar. Werden Informationen, die man sich sonst merken müsste, digital abgespeichert, schaffen sie im Kopf Platz für Neues und Kreatives, beweisen Benjamin C. Storm und Sean M Stone von der University of California in drei Experimenten. Es scheint eher das Gegenteil zuzutreffen: Menschen, die sich im Internet bewegen, können schneller Wesentliches erfassen, und große Mengen an Information schneller verarbeiten.
… aggressiv? Unumstritten ist der Zusammenhang zwischen dem häufigen Konsum Gewalt-verherrlichender Videos und Filme und aggressivem Verhalten. Genauso unbestritten ist, dass weitere Faktoren wie familiäre Einflüsse, der Umgang, die gesellschaftliche Position hinzukommen müssen, damit Aggressionspotenzial zum Tragen kommt.
… dick? Untersuchungen belegen einen Zusammenhang zwischen der täglich vor dem Fernseher oder Computer verbrachten Zeit und dem Körpergewicht. Allerdings hat Übergewicht in den seltensten Fällen eine einzige Ursache, es ist vielmehr ein multifaktorielles Geschehen.
… einsam? Hier gibt es Anzeichen dafür, dass, je mehr Zeit mit digitalen Medien, insbesondere in Online-Portalen, verbracht wird, umso zurückgezogener der Lebensstil ist.
… unglücklich? Die Untersuchungen zu zwanghafter Internetnutzung legen nahe, dass bei intensiver Nutzung von Online-Sozialkontakten das Wohlergehen leidet, der soziale Kontakt vernachlässigt wird und vermehrt Depressionen auftreten. Solche Zusammenhänge wurden aber nicht für die moderate Internetnutzung festgestellt.
… krank? Diese Frage kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt überhaupt noch nicht beantwortet werden. Wie bei allen technischen Erfindungen sind es die Nutzer, die durch ihren Gebrauch darüber entscheiden, ob sich die Neuerung positiv oder negativ auswirkt. Bekannt ist allerdings, dass die ständige Verfügbarkeit via Computer oder Handy krankmachendes Potenzial besitzt. Außerdem hat eine norwegische Studie ergeben, dass Schlafstörungen bei Jugendlichen besonders häufig auftreten, wenn Jugendliche die letzte Stunde vor dem Schlafengehen vor einem Bildschirm verbringen. Bereits nach vier Stunden Nutzung elektronischer Medien steigt das Risiko für zu wenig oder schlechten Schlaf um rund 50 Prozent.
Digitaler Demenz und Internet-Abhängigkeit vorbeugen
Auf alle Fälle sind die Zahlen der Internet-abhängigen Deutschen mit 800.000 (=1 Prozent der Bevölkerung) und bei den 14- bis 16-Jährigen mit 4 Prozent alarmierend und erfordern dringend Maßnahmen. Es ist Aufgabe der Eltern, Erzieher und Lehrer, Kinder von klein auf den adäquaten und maßvollen Umgang mit digitalen Medien beizubringen. Wie solche Maßnahmen aussehen könnten, beschreibt der bekannte Autor und Journalist Werner Huemer. (2)