Pilze – die Superpower im Ökosystem

Die Bedeutung von Mykorrhizapilzen für unser Ökosystem ist enorm, denn ohne die Symbiose mit ihnen könnten Wälder, Wiesen und auch Ackerflächen nicht existieren.
Die Bedeutung von Mykorrhizapilzen für unser Ökosystem ist enorm, denn ohne die Symbiose mit ihnen könnten Wälder, Wiesen und auch Ackerflächen nicht existieren. | Bild: Mister G.C. – Adobe Stock

Pilze wandeln organische Abfälle in Nährstoffe und Humus um und fördern dadurch das Wachstum von Pflanzen. Eine besondere Rolle nehmen dabei die Mykorrhizapilze ein, zu denen auch viele Speisepilze zählen. Ohne Mykorrhiza gäbe es keine Wälder, Wiesen und Ackerflächen, wie wir sie heute kennen. Somit sind Pilze für unser Ökosystem von größter Bedeutung und wir sollten ihnen viel mehr Aufmerksamkeit schenken.

Hier erhalten Sie Antworten auf folgende Fragen:

Warum sind Pilze keine Pflanzen

Pilze sind extrem vielfältig. Die Anzahl aller Pilzarten weltweit wird auf über 1 Million geschätzt, wovon bis heute etwa 70.000 Arten beschrieben sind.

Pilze zeichnen sich dadurch aus, dass sie – anders als die grünen Pflanzen bei der Photosynthese – ihre Energie von außerhalb des eigenen Organismus beziehen. Dabei setzen sie Verdauungsenzyme frei, mithilfe derer sie totes oder lebendes organisches Material zersetzen. Die aufgeschlossenen Nährstoffe nehmen die Pilze als Nahrung auf. Ihre Ernährungsform wird, wie die der Tierwelt, „Kohlenstoff-heterotroph“ genannt. Somit sind sie in diesem Punkt enger mit Tieren verwandt als mit Pflanzen. Pilze gelten in der Biologie  daherals eigenständige Gruppe von Lebewesen, die Mycobionta.

Wenn wir von Pilzen sprechen, meinen wir jedoch meist nur die Fruchtkörper. Von diesen mit dem bloßen Auge erkennbaren Großpilzen, die wir in Wald und Wiese finden und sammeln können, wachsen in unseren Breiten etwa 6000 Arten. Der weitaus wichtigere Teil der Pilze findet sich allerdings als riesiges Netzwerk aus Hyphengeflecht unter der Erde. Mit ihren röhren- und fadenförmigen Ausläufern, dem Myzel, untersuchen Pilze ihre Umgebung und interagieren mit anderen Organismen.

Wofür sind Pilze wichtig

Grob unterteilt gibt es drei Gruppen von Pilzen, die sich entsprechend ihrer Ernährungsweise unterscheiden: parasitische, saprobiontische und symbiotische Pilze

  • Parasitische Pilze leben als „Schmarotzer“ auf Pflanzen, an oder in Tieren oder anderen Pilzen, ohne dass sie ihrem „Wirt“ eine Gegenleistung erbringen. Zwar geht ein Großteil der jährlichen Ertragsverluste der Landwirtschaft auf das Konto solcher parasitischen Pilze, doch auch sie spielen eine wichtige Rolle im Ökosystem: Sie sorgen für ein Gleichgewicht zwischen verschiedenen Lebewesen, indem sie verhindern, dass sich konkurrenzstärkere Arten zu dominant ausbreiten. Somit dienen sie der Artenvielfalt.
  • Saprobiontische Pilze bauen totes organisches Material ab. Wenn es diese Pilze nicht gäbe, würden die von Pflanzen bedeckten Flächen der Erde unter ihrem eigenen „Biomüll“ ersticken. Die darin gebundenen Stoffe werden durch den Abbau für die nächste Generation von Lebewesen freigesetzt. Die Leistung saprobiontischer Pilze liegt darin, dass sie – anders als Bakterien und Tiere – mithilfe bestimmter Enzyme auch Lignin zersetzen und mineralisieren können. Lignin findet sich als besonders widerstandsfähige Kittsubstanz in verholzten Pflanzenzellwänden. Durch den Abbau alter Bäume werden unter anderem auch neue Lebensräume für Insekten und andere Lebewesen in Form von Baumhöhlen geschaffen.
  • Symbiotische Pilze leben in enger Wechselbeziehung zu Algen (Flechtenpilze) oder Wurzeln von Pflanzen (Mykorrhizapilzen). Im Ökosystem sind vor allem die Mykorrhizapilze von herausragender Bedeutung, denn sie nehmen dabei eine Vermittlerrolle zwischen dem Boden und den Wurzeln ein. Der Pilz liefert der Pflanze Nährstoffe, Mineralstoffe und Wasser im Austausch für Kohlenhydrate aus der Photosynthese.

Mykorrhiza – was ist das

Der Begriff „Mykorrhiza“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie „verpilzte Wurzel“. Der Pilz umhüllt also die feinsten äußeren Wurzelfäden mit einem dichten Myzelgeflecht und bildet somit einen Mantel. Etwa ein Drittel der in unseren Wäldern wachsenden Großpilze sind Mykorrhiza-Pilze. Dazu zählen bekannte heimische Speisepilze wie Steinpilz, Maronenröhrling, Trüffel und Eierschwamm, aber auch zahlreiche Giftpilze wie Knollenblätterpilz, Fliegenpilz und Satansröhrling.

Viele dieser Pilze sind an eine Baumart gebunden, was erklärt, warum sich manche Speisepilze nur unter bestimmten Bäumen, zum Beispiel Fichten, finden lassen. In unseren Breiten gibt es keinen Waldbaum, dessen Wurzeln nicht von Mykorrhiza besetzt sind, in aller Regel von mehreren Pilzarten gleichzeitig.

Wie funktioniert die Mykorrhiza

  • Nährstoffaustausch

Eine wesentliche Funktion der Mykorrhiza ist der Austausch von Nährstoffen. Der Pilz ernährt sich von den durch die Pflanze erzeugten Zuckerverbindungen; die Pflanze wiederum profitiert von Wasser und Mineralstoffverbindungen, die der Pilz liefert, beispielsweise Stickstoff und Phosphor.

Dieses Geben und Nehmen findet in einer bestimmten Austauschzone statt, dem Hartig’schen Netz, das durch die dichte Verflechtung der beiden Gewebe für einen engen Kontakt sorgt. Die feinen Pilzfäden übernehmen dabei die Aufgabe der Wurzelenden und sorgen für eine verbesserte Aufnahme von Wasser und Nährstoffen aus dem Boden.

  • Schutz vor Schadstoffen

Mykorrhizapilze können Pflanzen auch vor Umweltgiften schützen. Durch Schadstoffausstoß verunreinigte Luft gelangt über die Atmosphäre auch auf Wälder und Felder. Die darin enthaltenen Schwermetallpartikel wie Cadmium, Blei, Quecksilber, Chrom und Nickel werden nicht natürlich abgebaut, sondern reichern sich im Boden an. Sie stellen somit ein zunehmendes Gesundheitsrisiko für Pflanzen, Tiere und Menschen dar. Ähnliches gilt für die radioaktive Belastung mit Cäsium.

Mykorrhiza erweisen sich mitunter als überaus widerstandsfähig gegenüber diesen Schadstoffen. Sie binden gewisse Schwermetalle und radioaktive Partikel mithilfe ihrer Zellstrukturen und bestimmter Proteine und bilden somit eine Art Filter. Dadurch wird die vom Myzelmantel geschützte Pflanze vor einem gesundheitsgefährdenden Maß an Schadstoffen bewahrt. Je nach aktueller Belastung sollten Sie beim Verzehr von Speisepilzen dennoch Vorsicht walten lassen, da sich Schwermetalle in den Pilzfruchtkörpern trotzdem anreichern können.

  • Weitere Funktionen der Mykorrhiza

Sind die Wurzeln einer Pflanze von Mykorrhizapilzen besetzt, ist die Pflanze meist auch robuster gegen Frost und krankheitserregende Bodenorganismen. Mykorrhiza können die Pflanzen auch zur Bildung von Phytohormonen anregen, wodurch ihr Wachstum gefördert und im Falle von Nutzpflanzen der Ertrag gesteigert werden kann. In einem Kilogramm landwirtschaftlich genutztem Boden kann die Gesamtlänge der Mykorrhizafäden bis zu 300 Meter betragen. Von Pilzmyzel durchzogene Böden weisen oft eine verbesserte Fähigkeit zur Wasserbindung auf, was wiederum Schutz vor Erosion bietet.

Die Bedeutung von Mykorrhizapilzen für unser Ökosystem ist enorm, denn ohne die Symbiose mit ihnen könnten Wälder, Wiesen und auch Ackerflächen nicht existieren. Pilze unterstützen auf diese Weise also Pflanzen, die mithilfe der Photosynthese die Lebensgrundlage für Tiere und auch für uns Menschen schaffen. Getreide- und Obstbau, Waldwirtschaft und Milchwirtschaft sind stets auf irgendeine Weise von den Diensten der Pilze abhängig. Die Artenvielfalt der Pilze zu schützen, bedeutet somit auch eine Sicherung unserer Ernährungsgrundlage.