Die Heilpflanzen der Azteken

Passionsblume (Passiflora edulis)
Eine Passionsblume (Passiflora edulis) zierte nicht nur die Gärten und Parks der Azteken, sie lieferte mit ihrer Frucht, der Maracuja, auch Nahrung und das Kraut wurde bei Schlaflosigkeit und Nervosität verabreicht. | Bild: Menyhert – Adobe Stock

Zwischen den indianischen Völkern Süd- und Mittelamerikas und denen Nordamerikas erstreckte sich das Reich der Azteken. Sein Ingenieurswesen und seine Astronomie-Kenntnisse waren hoch entwickelt, seine Bauwerke beeindruckend, seine Gärten und Parks prachtvoller als die des Adels in Europa. Das Wissen der Azteken um Heilpflanzen war außerordentlich groß. Nur Bruchteile davon sind erhalten geblieben und haben Eingang in die europäische Naturheilkunde gefunden.

Die Herrschaft der Azteken dauerte vom 12. bis zum 16. Jahrhundert, bis das Volk von spanischen Eroberern im Jahr 1519 entdeckt wurde. Danach begannen eine systematische Unterwerfung, Christianisierung und schließlich Ausrottung der Azteken. Bei ihren Feldzügen wurden die Eroberer von indianischen Völkern unterstützt, die von den Azteken unterworfen worden waren. Den Untergang des Aztekenreichs besiegelte jedoch eine Epidemie, die 1545 ausbrach und fünf Jahre andauerte. Ihr fielen Millionen Azteken zum Opfer. Was genau die als Aztekenpest bezeichnete und von den spanischen Eroberern eingeschleppte Krankheit war, konnten Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts in Jena und der Harvard-Universität in den USA 2018 entschlüsseln, nachdem das erste bislang entdeckte Seuchengrab gefunden worden war: Es war eine Salmonellen-Erkrankung, die von Salmonella enterica verursacht wurde und gegen die das Immunsystem der Azteken machtlos war. Auch das Medizinwissen, das bis zu 1.000 Heilpflanzen umfasst haben soll, war dem Erreger nicht gewachsen.

Was vom Heilpflanzenwissen der Azteken überliefert ist

Das in Codices festgehaltene Wissen der Azteken über Heilpflanzen und deren Verwendung haben die Eroberer fast vollständig vernichtet. Was wir heute kennen, stammt überwiegend aus Aufzeichnungen von Missionaren und Gelehrten, die aus europäischer Sicht über Kultur, Religion und Umwelt der Azteken berichteten. 1552 legte der aztekische Arzt, der nach der Christianisierung Martin de la Cruz hieß, seine Kenntnis der aztekischen Heilpflanzen in einem Kräuterbuch nieder. Darin sind 185 Arzneipflanzen samt ihrer Verwendung beschrieben. Der spanische Arzt Francisco Hernández, der im Auftrag des spanischen Königs Philipp II. die damals verwendeten Heilpflanzen erkundete, soll über 1.000 Arzneipflanzen beschrieben und abgebildet haben. Da das Manuskript verbrannte, sind heute nur noch Fragmente seiner Aufzeichnungen vorhanden.

Das Mexikanische Traubenkraut (Chenopodium ambrosioides) wurde traditionell bei Brustleiden, Asthma, Durchfall, Vergiftungen, Entzündungen, Wurminfektionen und zur Geburtserleichterung eingesetzt. In der europäischen Heilkunde fand es vergleichbare Anwendung bei Atemwegserkrankungen, Frauenleiden und zur Behandlung von Spul- und Bandwürmern. In der Homöopathie wird das Mexikanische Traubenkraut bei Lebererkrankungen und Durchblutungsstörungen eingesetzt.

Der Stechapfel (Datura stramonium) war den Azteken Rauschmittel und Heilpflanze zugleich und sie wussten von der Gefahr einer Überdosierung. Verwendet wurde der Stechapfel bei rituellen Zeremonien und zur Behandlung von Fieber, Ohrenkrankheiten und Schmerzen infolge von chirurgischen Eingriffen oder schweren Verletzungen. In der europäischen Medizin wurde der Stechapfel bei rheumatischen Erkrankungen, Entzündungen, Krämpfen, Verbrennungen und zur Betäubung verwendet. Heute findet der Stechapfel noch in pflanzlichen Asthmapräparaten und in der Homöopathie Verwendung.

Paprika (Capsicum annuum) und Chili (Capsicum frutescens) wurden bei den Azteken Kranken gegeben, die Blähungen, Magenbeschwerden oder Wassereinlagerungen hatten. Sie galten auch als Aphrodisiaka zur Steigerung der sexuellen Lust und als Zusatz zu warmen Bädern sollten sie die Durchblutung anregen. Capsicum-Arten werden bis heute in der Pharmazie wegen ihrer Inhaltsstoffe, den Capsaicinoiden, für Wärmepflaster bei Muskelverspannungen, rheumatischen Beschwerden und Neuralgien eingesetzt.

Als Nahrungsmittel und Heilpflanze schätzten die Azteken verschiedene Arten von Kürbis (Cucurbita), mit dessen Saft sie Hämorrhoiden und Entzündungen behandelten. Bis heute wird Kürbissamen von Cucurbita pepo zur Behandlung von Reizblase und gutartiger Prostatavergrößerung verwendet.

Der Aztekensalbei (Salvia divinorum), auch Heiliger Salbei genannt, besitzt psychoaktive Inhaltsstoffe und wurde von den Azteken zur übersinnlichen Wahrnehmung bei religiösen Zeremonien eingesetzt. Salvia divinorum unterliegt in Deutschland dem Betäubungsmittelgesetz.

Der Chinarindenbaum (Cinchona) war traditionell als Mittel gegen Malaria bekannt. Seinen Wirkstoffen Chinin und Chinidin werden auch schmerzstillende Eigenschaften zugesprochen. Chinin, das in geringen Mengen auch in Bitter Lemmon und Tonic Water enthalten ist, soll die Produktion von Speichel und Magensaft fördern. Der Naturstoff Chinin aus dem Chinarindenbaum ist heute stärker in den Blick der Forschung geraten, da man festgestellt hat, dass einige Malaria-Erreger resistent gegen synthetische Malariamedikamente geworden sind, nicht aber gegen Chinin.

Eine Passionsblume (Passiflora edulis) zierte nicht nur die Gärten und Parks der Azteken, sie lieferte mit ihrer Frucht, der Maracuja, auch Nahrung und das Kraut wurde bei Schlaflosigkeit und Nervosität verabreicht. Bis heute wird eine verwandte Passionsblume gegen Stress, Nervosität und bei Schlaflosigkeit eingesetzt. Diese Passiflora incarnata ist auch in den naturheilkundlichen Arzneimitteln Calmvalera Tabletten (bei nervösen Störungen wie Schlafstörungen und Unruhe) und Calmvalera Tropfen (bei nervösen Störungen wie Schlafstörungen und Unruhe sowie Verstimmungszuständen) und dem pflanzlichen Arzneimittel Valeriana Hevert Beruhigungsdragees (bei nervöser Unruhe, Stresszuständen und Einschlafstörungen) enthalten.