Superfood nicht immer super und gesund
Algen, Chia-Samen oder Smoothies – Superfoods sind trendy, denn sie gelten als besonders gesunde Lebensmittel. Sie sind für viele Ausdruck ihrer Individualität, für manche sogar eine Art Ersatzreligion. Doch halten sie, was Marketingstrategen versprechen? Bei genauerer Betrachtung entpuppen sich Superfoods häufig als umweltschädlich, teuer, hochgradig verarbeitet und nicht gesünder als heimische Produkte, wie etwa Leinsamen.
Das lesen Sie in diesem Artikel:
- Superfoods sind teuer – für Mensch und Umwelt
- Superfoods gesund? Der wissenschaftliche Nachweis fehlt
- Superfoods – Je mehr verarbeitet, desto geringer der Nährstoffgehalt
- Anbaubedingungen schaden der Umwelt
- Gesundheitsgefährdender Anbau
- Statt Superfoods: frisch, regional, saisonal
Superfoods sind für immer mehr Ernährungsbewusste mit Zeitmangel besonders attraktiv. Sie gaukeln uns Konsumenten vor, dem zeitintensiven Slow Food-Ansatz ein Schnippchen schlagen zu können. Wenn wir uns morgens nur ein Pülverchen über das Müsli streuen und unser „Körpermaschinen“ damit optimal versorgen können, müssen wir doch nicht mehr auf dem Wochenmarkt Biogemüse einkaufen und aufwendig an den Herd stellen. Oder ist es doch nicht so einfach? Je länger es Superfoods zu kaufen gibt, umso mehr häufen sich die kritischen Stimmen, die den Marketinghype entlarven. Hier sind einige der stichhaltigsten Argumente.
Superfoods sind teuer – für Mensch und Umwelt
Ein wichtiger Appeal an Superfoods ist ihre Exotik. Sie werden meist in Asien oder Lateinamerika in tropischen Klimazonen angebaut. Weite Transportwege, der Bedarf nach langer Haltbarkeit und die Unmöglichkeit, sie in heimischen Gefilden anzubauen, machen viele Superfoods auf vielfache Weise teuer: einerseits gehen sie ins Geld. Gleichzeitig verbrauchen Anbau, Verarbeitung, Lagerung und Transport eine große Menge natürlicher Ressourcen.
Superfoods gesund? Der wissenschaftliche Nachweis fehlt
Ob Algen, Açai-Beeren, Goji-Beeren oder Chiasamen, es fehlen wissenschaftliche Untersuchungen, die deren gesundheitsfördernden Effekt nachweisen. Einige wenige Studien haben sich mit einzelnen Inhaltsstoffen beschäftigt und einen positiven Nutzen für die Gesundheit von Tieren oder Zellen nachgewiesen. Das gilt aber nicht für Superfoods als Ganzes und auch nicht für die Wirkung auf den Menschen.
Übrigens lässt sich der beworbene hohe Nährstoffgehalt spielend leicht durch heimische Lebensmittel ersetzen, wie diese drei Beispiele zeigen:
Açai-Beere, Frucht der brasilianischen Kohlpalme
Beworbene Inhaltsstoffe: Anthocyane, Omega-3-Fettsäuren, Magnesium
Ersatz durch: Leinsamen, Sonnenblumenkerne, Rapsöl; Magnesium durch Haferflocken, Heidelbeeren, Bärlauch
Quinoa, Pseudogetreide aus Peru und Bolivien
Beworbene Inhaltsstoffe: Eiweiß, Magnesium, Eisen
Ersatz durch: Hirse + Gemüse
Chia-Samen, Inkagetreide aus Lateinamerika
Inhaltsstoffe: Ballaststoffe, Omega3-Fettsäuren, Antioxidantien (Vitamin C und E)
Ersatz durch: Leinsamen, Äpfel, Tomaten, Hagebutten, Sanddorn.
Superfoods: Je mehr verarbeitet, desto geringer der Nährstoffgehalt
Frische Goji-Beeren sind laut Ernährungsexperten gesünder als getrocknete, wie sie meist angeboten werden. Auch viele andere Superfoods, wie die Açai-Beere, sind teils hochverarbeitet, werden als Pulver oder Kapsel angeboten. Oft hat die Liebe zum Superfood mit dem bewussten Verzicht auf tierische Lebensmittel zu tun – und mit der Sorge, eventuelle Defizite an Mikronährstoffen auszugleichen, die bei strengem Vegetarismus oder Veganismus langfristig auftreten können. Apropos Veganismus: vegane Fleischersatzprodukte boomen und werden oft mit viel Salz und Fett schmackhaft gemacht. Bei der Bewertung der Gesundheitsbilanz sind diese Faktoren jedoch ziemlich nachteilig.
Anbaubedingungen schaden der Umwelt
Die steigende Nachfrage nach Quinoa oder Chia-Samen führt dazu, dass schnell sprießende Monokulturen statt Traditionssorten – mit immer geringeren Ruhepausen für die nährstoffarmen peruanischen und bolivianischen Hochlandböden – angebaut werden. Das führt zu Erosionen und schwindender Bodenfruchtbarkeit und gefährdet langfristig den einheimischen Ackerbau. Die hohe Nachfrage hat die Preise explodieren lassen, wodurch sich die Normalbevölkerung vor Ort das traditionelle Nahrungsmittel nicht mehr leisten kann. Ein anderes Beispiel ist das boomende Geschäft mit Avocados. Es führt zu massiven Waldrodungen in Mexiko und einem immensen Wasserverbrauch: 1 kg Avocados benötigen etwa 1000 Liter Wasser.
Gesundheitsgefährdender Anbau
Chia-Samen werden zum Beispiel mit umstrittenen Anbautechniken angebaut. Der massive Einsatz von (in der EU verbotenen) Herbiziden befreit die Böden von Unkraut und lässt die Chia-Samen schneller reifen. „Öko Test“ testete 21 Superfood-Produkte (1) und fand bei den meisten Blei-, Cadmium-, Mineralöl- und hohe Pestizidbelastungen. Das betraf sogar auch einige Bioprodukte.
Statt Superfoods: frisch, regional und saisonal essen
Die Lebensmittelindustrie nutzt den Begriff „Superfood“ geschickt als Marketinginstrument, um neue Kundenschichten zu erschließen. Heimische Nährstoffbomben, wie Rotkohl, Grünkohl oder Rote Beete passen da nicht in die exotische Verkaufsstrategie. Dabei leben Sie mit lokalen und saisonalen Nahrungsmitteln nicht nur gesünder, Sie sparen auch bares Geld. Leinsamen enthalten zum Beispiel mehr Omega-3-Fettsäuren als Chia-Samen aus Mexiko, kosten aber nur etwa ein Achtel.
Möchten Sie mehr über verschiedene Ernährungsweisen und Nährstoffmängel erfahren? Sehen Sie hier unser Dossier zum Thema
Quellen und weiterführende Links:
(1) Oekotest.de: 21 Superfoods im Test