Die innere Uhr – alles zu seiner Zeit

Chronobiologie
Die Chronobiologie ist die Lehre vom zeitlichen Rhythmus biologischer Prozesse. | Bild: kanyanat – Adobe Stock

Die innere Uhr und ihre zugrunde liegenden genetischen Zusammenhänge haben durch die Verleihung des Medizin-Nobelpreises an die Chronobiologen Hall, Rosbash und Young im Jahr 2017 wieder an Bedeutung gewonnen. Doch bereits im alten China wusste man, dass die inneren Organe zu bestimmten Tageszeiten besonders träge oder aktiv sind und wie wichtig es ist, sich dem eigenen Biorhythmus anzupassen.

Was sollten Sie im Alltag berücksichtigen, etwa im Hinblick auf Ihre Schlafens- und Essenszeiten oder wenn Sie geistige und körperliche Betätigungen an Ihre persönlichen Leistungskurven anpassen möchten?

Was heißt Chronobiologie?

Die Chronobiologie ist die Lehre vom zeitlichen Rhythmus biologischer Prozesse. Ob Mensch, Maus oder Meeresalge, alle Pflanzen und Lebewesen folgen ihrer ganz eigenen inneren Uhr, wenn es darum geht, Nahrung aufzunehmen und zu verstoffwechseln oder auch um Ruhe- bzw. Schlafpausen einzulegen. Diesen Rhythmus halten Pflanzen und Tiere sogar bei, wenn sie ganz anderen Standorten oder Lichtverhältnissen ausgesetzt werden. Und Sie kennen ihn vielleicht vom Jetlag nach einer langen Flugreise.

Seit Hunderten von Jahren gehen Forscher der Frage nach, warum es so ist, dass Lebewesen selbst nach mehreren Monaten in völliger Dunkelheit immer noch ihrem inneren Takt folgen, wenn es um Zeiten der Aktivität oder Ruhe geht, selbst wenn dies irgendwann nicht mehr ganz synchron mit dem Tageslauf geschieht.

Zwar steht die Existenz der inneren Uhr außer Zweifel und wird beispielsweise in der Traditionellen Chinesischen Medizin bereits seit Tausenden von Jahren anhand der „Organuhr“ berücksichtigt, doch den genauen biologischen Grundlagen ist die Wissenschaft erst seit relativ Kurzem auf der Spur. Für die Entschlüsselung der genetischen Grundlagen des sogenannten „zirkadianen Rhythmus“ von Fruchtfliegen wurde erst 2017 den Chronobiologen Jeffrey C. Hall, Michael Rosbash und Michael W. Young der Nobelpreis in Medizin verliehen.

„Die Arbeit der Nobelpreisträger ist eine Grundlage für das, was Schlafforscher immer wieder beobachten“, sagt Gregor Eichele vom Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen. Inzwischen wisse man, dass bestimmte Krankheiten, Übergewicht oder chronische Schlafstörungen entstehen können, wenn Menschen dauerhaft gegen ihre innere Uhr leben.

Wie tickt die innere Uhr des Menschen?

Die innere oder zirkadiane Uhr erfüllt bei Lebewesen die Aufgabe, einen individuellen 24-Stunden- Rahmen im Körper zu schaffen, der ihm über den Lauf des Tages hilft, alle physiologischen Vorgänge zu koordinieren. Zur Kommunikation werden Nervenverbindungen sowie Botenstoffe, wie Hormone und Neurotransmitter, genutzt. Die innere Uhr steuert sogar die Auslese, das An- und Abschalten von Genen sowie den Abbau von Proteinen.

Ihre zirkadiane Uhr ist sowohl von Lichtverhältnissen, als auch ganz individuell von Ihrer genetischen Struktur abhängig. Bezüglich des Schlafrhythmus haben Sie sicher schon von der Einteilung in „Lerchen“ (ca. 10 Prozent der Bevölkerung), also extremen Frühaufstehern, sowie „Eulen“ (ca. 20 Prozent der Bevölkerung) gehört, die bis tief in die Nacht aktiv sind.

Die innere Uhr macht zu einer bestimmten Zeit für eine Körperfunktion ein Fenster auf, in dem wir zum Beispiel optimal schlafen, verdauen oder uns geistig konzentrieren können.

Organuhr in der Traditionellen Chinesischen Medizin

Wenn Sie Ihren naturgegebenen Bedürfnissen besser gerecht werden möchten, ist der erste und einfachste Schritt, ihren Körper aufmerksamer zu beobachten:

  • Fühlen Sie sich wirklich ausgeschlafener, wenn Sie am Wochenende länger im Bett bleiben und in den Morgenstunden noch einmal einschlafen? Oder wachen Sie auch ohne Wecker zu einer bestimmten Uhrzeit auf und sind topfit?

Zwischen 5 Uhr und 7 Uhr morgens schüttet der Körper das Hormon Cortisol aus, das uns langsam weckt und den Kreislauf in Schwung bringt. Der Cortisolspiegel fällt im Verlauf des Vormittags allerdings wieder ab. Wenn Sie Ihr ideales Aufsteh-Zeitfenster verpassen, ist es nicht verwunderlich, wenn Sie sich den ganzen Tag wie gerädert fühlen.

  • Leiden Sie an Durchschlafstörungen und wachen nachts regelmäßig zu einer bestimmten Uhrzeit auf?

Meist ist dies zwischen 1 Uhr und 3 Uhr, denn in diesem Zeitraum entgiftet unsere Leber auf Hochtouren. Dies stellen vor allem Menschen fest, die ihre Leber mit Alkohol, Nikotin oder Medikamenten stark belasten. Nicht nur Ihre Leber wird es Ihnen danken, wenn Sie leberbelastende Genussmittel auf ein Minimum reduzieren.

  • Haben Sie nach einem schweren Mittagessen oft das Gefühl, gar nicht mehr denken und arbeiten zu können?

Die Ursache dafür ist nicht nur, dass sich Ihr Gehirn gewöhnlich zwischen 13 Uhr und 15 Uhr in einem Leistungstief befindet. In dieser Zeit werden nämlich hauptsächlich Ihre Verdauungsorgane durchblutet. Das Tief ist vor allem dann zu spüren, wenn Sie nur wenig oder gar nicht gefrühstückt haben und Ihnen ein leichtes Mittagessen nicht ausreicht, um Ihr Energiedefizit auszugleichen. Ideal wäre es, wenn Sie sich die Zeit für ein vollwertiges und nahrhaftes Frühstück nehmen können, denn dies kann Gelüsten nach fettigem, süßem und kohlehydratreichem Essen vorbeugen. Dann darf das Mittagessen auch leicht ausfallen.

Sie müssen kein Hormonspezialist sein, um Ihren Körper besser zu verstehen und Ihr Wohlbefinden zu fördern. Die chinesische Organuhr kann Ihnen dabei helfen, Ihre Stoffwechselfunktionen über den Tageslauf optimal zu unterstützen: https://www.carstens-stiftung.de/artikel/die-chinesische-organuhr.html

Was beeinflusst unseren zirkadianen Rhythmus?

Die Gene, die für die zirkadiane Uhr mitverantwortlich sind, haben sich über Jahrmillionen kaum verändert. So steigt die Körpertemperatur stets am späten Nachmittag, und gegen 15 Uhr haben wir die schnellsten Reaktionszeiten. Gegen 17 Uhr erreicht der Blutdruck gewöhnlich seine zweite Tagesspitze und gegen 2 Uhr morgens ist er am tiefsten.

Inwieweit die zirkadiane Uhr unseren Hunger bzw. Appetit mitbeeinflusst, wird leider jedoch noch viel zu wenig beachtet. Denn essen wir stets zum „falschen“, also unphysiologischen Zeitpunkt, trennen wir den Rhythmus unserer verschiedenen Verdauungsorgane wie Bauchspeicheldrüse, Magen, Darm und Leber von der „Uhr“ unseres Gehirns, die im Wesentlichen vom Tageslicht abhängig ist.

Der zirkadiane Rhythmus hat dabei die Aufgabe, Magen und Darm auf die Verarbeitung der Nahrung vorzubereiten. Er signalisiert der Leber, wann mit einer Flut von Nährstoffen zu rechnen ist. Diese müssen verarbeitet, umgewandelt und in den Fettspeichern abgelegt werden, sodass daraufhin das Fettgewebe den Körper mit den eingelagerten Nährstoffen versorgen kann.

„Das ist vermutlich einer der Gründe, warum Schichtarbeiter häufiger an Stoffwechselerkrankungen und Übergewicht leiden“, so Chronobiologe Henrik Oster vom Center of Brain, Behavior and Metabolism der Universität Lübeck. „Sind die Uhren nicht korrekt getaktet, funktioniert das alles nicht richtig.“

Die Grundlagenforschung der Nobelpreisträger dient Medizinern bereits heute dabei, Richtlinien für veränderte Schichtarbeits- und Beleuchtungssysteme sowie individuelle Ernährungs- und Diätpläne zu erarbeiten. Vor allem das Intervallfasten scheint in dieser Hinsicht ein großer Hoffnungsträger zur Bewältigung von Zivilisationskrankheiten wie Übergewicht, Bluthochdruck und Diabetes zu sein.