Kapitel 2: Leben und Wirken von Pastor Felke

Emanuel Felke, ein Pionier der Homöopathie, behielt bei seinen Behandlungen stets den Menschen im Blick.

Emanuel Felke, ein Pionier der Homöopathie, behielt bei seinen Behandlungen stets den Menschen im Blick. | Bild: Heimatmuseum Bad Sobernheim

Erdmann Leopold Stephanus Emanuel Felke kam am 07. Februar 1856 in dem kleinen Örtchen Kläden in der Altmark, nahe Stendal, zur Welt. Seine Erziehung war durch seine Eltern, den Lehrer Friedrich und die Pfarrerstochter Hedwig, christlich geprägt und naturheilkundlich ausgerichtet: Der Vater behandelte Erkrankungen seiner acht Kinder wenn möglich mit homöopathischen Mitteln und Kräutern, die der junge Emanuel bei ausgedehnten gemeinsamen Streifzügen durch die Natur kennenlernen durfte.

Schon als Kind war er fasziniert von der Natur und der Fülle an Heilpflanzen, die sie hervorbrachte. In späteren Jahren studierte er auf Wunsch seiner Eltern in Berlin Theologie. Sein Interesse an der Natur und der Heilkunst war jedoch ungebrochen und häufig sah man ihn auch in medizinischen Vorlesungen. In seiner Freizeit schenkte Emanuel Felke dem Studium der Homöopathie und den Schriften Samuel Hahnemanns, dem Begründer der klassischen Homöopathie, seine ganze Aufmerksamkeit. Nach der Priesterweihe fand Felke 1887 in Cronenberg bei Elberfeld seine erste Pfarrstelle.

Erste Heilerfolge und Kritik

Pastor Felke im Jungborn

Pastor Felke im Jungborn | Bild: Heimatmuseum Bad Sobernheim

Um 1890 brach in Cronenberg eine verheerende Diphterie-Epidemie aus, der viele Kinder zum Opfer fielen. Pastor Felke empfahl damals den Müttern erkrankter Kinder das homöopathische Mittel Mercurius cyanatus C 30. Alle von ihm so behandelten Kinder überlebten die Epidemie, während die schulmedizinisch behandelten Kinder häufig verstarben. Diese Heilerfolge führten dazu, dass immer mehr Gemeindemitglieder Pastor Felke neben ihrem Seelenheil auch ihre körperliche Gesundheit anvertrauten. Schon bald ist der Andrang der Patienten so groß, dass der Pastor eine ärztliche Sprechstunde abhalten muss. Doch die Ärzte in Cronenberg werfen ihm Kurpfuscherei vor.

Um sich vor dem zunehmenden Druck zu schützen, lässt sich Felke 1894 als Pfarrer in den kleinen Kurort Repelen am Niederrhein bei Moers versetzen. Er hoffte, hier wieder vorrangig seiner Arbeit als Seelsorger nachgehen zu können. Allzu schnell verbreitete sich allerdings auch in diesem Örtchen die Kunde seiner medizinischen Fähigkeiten. Von nah und fern kamen Patienten zu ihm, verschrieben sich seiner Heilkunst und baten ihn um Hilfe. Kurzerhand ergab er sich in sein Schicksal: Ein Gasthof diente ihm als Behandlungszimmer; der Küster wurde zu seinem Gehilfen in der Sprechstunde. Sein „Freizeitvergnügen“, das Studium der Schriften von Naturärzten wie Samuel Hahnemann, Adolf Just, Vincenz Prießnitz, Louis Kuhne, Arnold Rikli und Sebastian Kneipp, kam ihm nun zugute. Diese Menschen inspirierten ihn und ließen ihn weiterdenken. Er verknüpfte Lehm-, Licht-, Luft- und Wasseranwendungen mit der Homöopathie, der Pflanzenheilkunde und der Augendiagnose. Auf diesen Grundlagen entwickelte er ein eigenes Heilkonzept.

Revolutionäre Heilkonzepte stoßen nicht nur auf Bewunderung

Felke behandelte seine Patienten mit Zuwendung und Hingabe. Viele kurierte er unentgeltlich und wenn es nötig war, gab er den Bedürftigen sogar das Geld, um die von ihm verordneten Heilmittel kaufen zu können. Zur damaligen Zeit waren seine Heilkonzepte revolutionär und den Schulmedizinern ein Dorn im Auge. Nach einem Wortgefecht mit Schulmedizinern schrieb er 1899 in einem Brief an seinen Freund Max Vits „… Merke: Wenn jemand behauptet, alles zu wissen und zu können, ist er ein eingebildeter Renommist (Aufschneider). Das gilt sonderlich auf dem Gebiet der Diagnose und des Heilens …“

1897 besichtigte er den von Adolf Just gegründeten „Jungborn“ (eine Art Kurhaus) im Harz und gründete seinerseits einen Jungborn in Repelen. Da sowohl die Bäder als auch die Gymnastik unbekleidet erfolgten, wurde dieser jedoch nach kurzer Zeit wegen „Verletzung der Sittlichkeit“ vorübergehend polizeilich geschlossen. In dieser Zeit begannen die offenen Anfeindungen der ansässigen Ärzte, die sogar zu mehreren strafrechtlichen Prozessen gegen Felke führten. Im Jahr 1909 wurde Felke nach einer einwöchigen Gerichtsverhandlung, in der 21 Gutachter angehört wurden, schließlich in dritter Instanz freigesprochen.

„Aber ich kann und werde mich nie dazu entschließen, meine geliebte und gute Homöopathie fahren zu lassen, sondern ich sage, sie bildet das Rückgrat, das meine Heilmethode hat, wenn sie auch von Wissenschaft und Staat nicht anerkannt ist.“ Pastor Felke

Felke als Verfechter der Komplexmittel-Homöopathie

Obwohl Felke offensichtlich unter den Anfeindungen litt, ließ er sich von den Prozessen nicht beirren und behandelte seine Patienten weiter. Er arbeitete vor allem mit homöopathischen Komplexmitteln. Dabei werden verschiedene homöopathische Einzelsubstanzen zu einem Heilmittel vereint, sodass ein entsprechend breiteres Wirkspektrum entsteht und verschiedene Symptome mit nur einem Präparat behandelt werden können. Diagnostisch arbeitete er vornehmlich mit der Augendiagnose, einer Methode, die einen geschulten Therapeuten durch Veränderungen von Struktur und Farbe der Augenlederhaut und der Iris auf mögliche krankhafte Veränderungen im Menschen hinweist. 1889 ging er mit seiner Heilmethode bei einem Vortrag vor über 1.000 Menschen in Krefeld an die breitere Öffentlichkeit. Damit nahm die Felke-Bewegung ihren Anfang, seine Bescheidenheit jedoch blieb.

„Es freut gewiss des Menschen Herz, wenn man Anerkennung findet – aber ich bin ein Mensch, der davon nicht viel verträgt. Ihr hebt mich zu hoch – und ich gewöhne mich an die Höhenluft – und die ist ungesund und lässt einen den rechten Maßstab für das eigene Ich und Tun und Treiben verlieren – und das ist gefährlich!“
Pastor Felke

Der Lehrer Andres Müller schrieb 1900 das erste Buch über Pastor Felkes Heilweisen mit dem Titel „Pastor Felke und seine Heilmethode“. Im Laufe der Zeit entstanden Felke-Vereine und eine Felke-Zeitschrift. 1912 legte Pastor Felke sein Pfarramt nieder, um seine gesamte Zeit den Kranken widmen zu können. Bis zum Ende seines Lebens fühlte er sich jedoch weiterhin auch als Seelsorger seiner Patienten.

Kaiserin Auguste Viktoria schickte ihre Hofdame Gräfin von Voß, um den neuen Wunderheiler Felke zu inspizieren. Ungeachtet des Ranges musste die Dame im Wartezimmer Platz nehmen. Als nun die Reihe an ihr war, begrüßte sie Pastor Felke mit den Worten „Nimm Dir ‘nen Stuhl.“ Ein wenig echauffiert ob des kumpelhaften Umgangs stellte sie klar, dass sie die Gräfin von Voß sei. Felke sah sie mit vor Freude blitzenden Augen belustigt an und sagte „So, so – na dann nimm Dir zwei Stühle!“

Umzug nach Bad Sobernheim

Der Krieg zwang ihn, Repelen 1915 zu verlassen. Einer seiner Schüler, Andres Dhonau, lud ihn nach Sobernheim ein. Die Stadt im Nahetal schien Felke ein geeigneter Ort zu sein, um sich niederzulassen und zu praktizieren. Hier gab es schon seit 1907, gegründet von Andres Dhonau, einen Jungborn nach seinem Vorbild, in dem seine Heilweisen bereits befolgt wurden. Bis heute ist dieser Ort ein Kraftort der Felke-Therapie und wird in vierter Generation geführt.
Zu dieser Zeit autorisierte Felke die homöopathische Central-Apotheke Mauch in Göppingen, die von ihm zusammengestellten Komplexmittel zu vertreiben. Um 1900 gehörte die Apotheke seinem Freund Dr. Richard Mauch. In dieser Apotheke arbeitete seit Mitte der 1920er Jahre schließlich auch ein Pharmazeut mit Namen Emil Hevert.

Felkes Einfluss auf Emil Hevert

Emil Hevert lernte die Komplexmittel Felkes schnell zu schätzen. Zutiefst überzeugt von ihrer Wirkung, engagierte sich der Pharmazeut schon während seiner Zeit bei Mauch in verschiedenen Felke-Vereinen und hatte später den Vorsitz des Felke-Bundes inne. 1956 gründete Emil Hevert sein eigenes Unternehmen, Hevert-Arzneimittel, und wählte aufgrund seiner langen Verbindung mit den Felkeschen Heilkonzepten Sobernheim als Firmensitz – die langjährige Wirkungsstätte Felkes.

1923 wird Pastor Felke Ehrenbürger von Sobernheim. Die „Felke-Stadt“, wie sie auch genannt wird, erhielt 1995 den Status einer Kurstadt und trägt seitdem den Zusatz „Bad“. Bis heute ist Bad Sobernheim mit seinen Kurhäusern BollAnts, Maasberg und Menschel das Zentrum der Felke-Therapie, welche sich neben der Homöopathie den bekannten Naturheilmitteln Licht, Luft, Wasser, Lehm, Bewegung und einer Diät mit naturbelassener Ernährung bedient.

Pastor Emanuel Felke verstarb am 16. August 1926, kurz nach seinem 70. Geburtstag, in einer Münchner Privatklinik. Die Stadt Sobernheim benannte eine Straße und das örtliche Gymnasium nach ihm. Die Faszination und Genialität der Felkeschen Heilweisen überdauern sein Leben bis heute.

Lesen Sie hier alle Gästeblog-Beiträge von Dr. Jan-Christoph Wollmann zum Thema Felke und Homöopathie.