Kapitel 1: Vitamin D-Mangel – Bewusstsein entwickeln
Das Sonnenhormon Vitamin D wird wie die Hormone anderer Organe (zum Beispiel Schilddrüse, Keimdrüsen, Bauchspeicheldrüse etc.) zwingend für eine korrekte Funktion unserer Zellen benötigt. Ein Mangel kann zu ernsten gesundheitlichen Problemen führen und bestehende Krankheiten verschlimmern. Prof. Dr. Jörg Spitz, Gründer der Gesellschaft für Medizinische Information und Prävention, erklärt die Zusammenhänge und weiß, wie wir einem möglichen Mangel entgegnen können.
Herr Prof. Spitz, Vitamin D gehört zu den Schutzfaktoren. Was kann eine Unterversorgung des Körpers mit dem Hormon bedeuten?
Wir müssen uns bewusst sein, dass jede einzelne Zelle eine winzig kleine, jedoch hoch effektive chemische Fabrik ist. Um diesen Zellstoffwechsel korrekt steuern zu können, benötigt die Zelle neben zahlreichen anderen Substanzen auch die Hormone. Dabei hat jedes Hormon spezielle Aufgaben und ist nicht durch ein anderes Hormon zu ersetzen. Fehlt ein Hormon, kann die Zelle nicht mehr richtig arbeiten und die Funktion des zugehörigen Organs wird geschwächt.
Von einem solchen Effekt stirbt natürlich noch niemand, kommen jedoch mehrere Störungen zusammen, kann der Körper dies nicht mehr ausgleichen und wird krank. Auf diese Weise ist ein Mangel am Sonnenhormon Vitamin D praktisch an der Entstehung aller chronischen Krankheiten beteiligt – angefangen von Diabetes über die Demenz und die Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis hin zur Krebsentstehung. Ein typisches Beispiel ist die Multiple Sklerose, bei deren Entstehung und Verlauf Vitamin D ein ganz entscheidender Faktor ist, aber eben nur einer von mehreren Faktoren.
Wie kommt es dazu, dass Menschen einen Mangel an Vitamin D haben?
Weil wir uns bedingt durch die Errungenschaften der Zivilisation nicht mehr so verhalten, wie wir dies zum Beispiel in der Steinzeit getan haben. Anstatt den ganzen Tag im Freien nach Nahrung zu suchen und dabei natürlich die Haut der Sonne auszusetzen, verbringen wir unser Leben überwiegend in Gebäuden oder Fahrzeugen. Ferner bedecken wir die nackte Haut mit Kleidung oder nutzen einen Sonnenblocker gegen Sonnenbrand. Diese Cremes tragen ihren Namen zurecht: Sie blockieren die UV-Strahlung und damit die Produktion von Vitamin D in unserer Haut. Die Folge dieses geänderten Verhaltens ist ein weltweiter Mangel an Vitamin D in der Bevölkerung. Je nach Land kann dieser Mangel zwischen 50 und 90 % der Bevölkerung betreffen.
Wenn in hiesigen Gefilden aufgrund des Klimas die körpereigene Produktion des Vitamins schwierig ist, warum haben dann nicht alle Menschen einen Mangel? Kann das am individuellen Stoffwechsel liegen?
Dies ist weniger eine Frage des individuellen Stoffwechsels als des individuellen Lebensstils. Diejenigen Gruppen in der Bevölkerung, die sich zum Beispiel beruflich bedingt im Freien aufhalten, wie Gärtner oder Dachdecker, schaffen es durchaus, sich im Sommer einen Vorrat an Vitamin D zuzulegen. Wer jedoch wie ein Grottenolm oder U-Boot-Fahrer lebt, hat keine Chance, auf natürlichem Wege Vitamin D zu bilden. Eine aktuelle Studie aus Australien belegt, dass die Kleidung für den Vitamin D-Mangel eine bedeutendere Rolle spielt als der Breitengrad.
Gibt es bestimmte Risikogruppen, etwa Schilddrüsen-Patienten, die ganz besonders auf einen ausgeglichen Vitamin D-Spiegel achten müssen?
Zum einen betrifft es diejenigen, die aufgrund ihres Lebensstils wahrscheinlich nicht ausreichende Mengen des Sonnenhormons bilden können. Die zweite große Gruppe sind diejenigen, die bereits eine chronische Krankheit entwickelt haben. Wir wissen aus vielen Untersuchungen, dass Vitamin D nicht nur die Entstehung dieser Krankheiten, sondern auch ihr weiteres Fortschreiten beeinflusst. Wer also von einer chronischen Krankheit betroffen ist, tut gut daran, seinen Vitamin D-Spiegel bestimmen zu lassen und dann einen eventuell vorhandenen Mangel zu beseitigen.
Lesen Sie hier alle Gästeblog-Beiträge des Mediziners Prof. Dr. Jörg Spitz zum Thema Vitamin D-Mangel.