Resilienz – was Kinder in schwierigen Zeiten stärkt
Resilienztraining für Kinder ist gefragt wie nie, denn acht von zehn Heranwachsenden fühlten sich trotz leichten Verbesserungen auch im Herbst 2021 noch durch die Corona-Umstände belastet. Doch was kann Kindern und Jugendlichen helfen, relativ unbeschadet, wenn nicht sogar gestärkt aus einer schwierigen Zeit hervorzugehen? Die Resilienzforschung der letzten 50 Jahre hat dazu beigetragen, dass die seelischen Schutzfaktoren Heranwachsender heute gezielt gefördert werden können.
Kinder gelten als DIE Verlierer von Pandemie und Lockdown. Im Herbst 2021 hat sich die Lebensqualität von Heranwachsenden zwar wieder etwas verbessert und auch psychische Auffälligkeiten sind inzwischen wieder leicht rückläufig. Doch psychosomatische Stresssymptome wie Gereiztheit, Einschlafprobleme und Niedergeschlagenheit treten im Vergleich zu der Zeit vor der Pandemie weiterhin deutlich häufiger auf. Auch bei Kopf- und Bauchschmerzen bei Kindern ist eine leichte Zunahme zu verzeichnen.
Fakt ist: Auch eineinhalb Jahre nach Pandemiebeginn fühlten sich mehr als ein Drittel der Kinder und Jugendlichen in ihrer Lebensqualität eingeschränkt. Dies ist das Ergebnis der dritten Befragungsrunde der COPSY-Studie (Corona und Psyche) des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE). Die COPSY-Studie ist die erste bevölkerungsbasierte Längsschnittstudie bundesweit und gehört auch international zu den wenigen Längsschnittstudien [1].
Für dieses andauernde Gefühl der Überforderung unter Heranwachsenden spielen nicht nur die reduzierten Sozialkontakte und teils erschwerten Lernbedingungen in der Schule und Zuhause eine wesentliche Rolle. Auch durch die Pandemie hervorgerufene oder verstärkte Ängste, Erkrankungen von Angehörigen, finanzielle Nöte der Eltern sowie vermehrte familiäre Konflikte bis hin zu physischer und psychischer Gewalt sind für viele junge Menschen zu einer starken Belastung geworden [2].
Nicht alle belasteten Kinder reagieren jedoch zwangsläufig mit einer Angststörung oder Depression: „Die meisten Kinder und Jugendlichen werden die Krise vermutlich gut überstehen. Das gilt vor allem für jene aus stabilen Familienverhältnissen. Familie ist und bleibt eine der wichtigsten Ressourcen, um gut durch die Pandemie zu kommen. Wir merken in der dritten Befragung aber auch, dass das Ende der strikten Kontaktbeschränkungen, die Öffnung der Schulen sowie der Sport- und Freizeitangebote zum psychischen Wohlbefinden und zur Steigerung der Lebensqualität der Kinder und Jugendlichen beitragen“, fasst Prof. Dr. Ulrike Ravens-Sieberer, Leiterin der COPSY-Studie und Forschungsdirektorin der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik des UKE die aktuellen Studienergebnisse zusammen [3].
Doch woran liegt es, dass sich manche Kinder trotz negativer Erfahrungen und Erlebnisse positiv und kompetent entwickeln, während andere, die auf den ersten Blick unter günstigen Umständen heranwachsen, psychisch und physisch stark leiden?
Wie entwickeln Kinder Resilienz?
In der „Mannheimer Risikokinderstudie“ untersuchte eine Forschergruppe 30 Jahre lang den Lebensverlauf von Kindern, die vielfachen Risikobelastungen ausgesetzt waren. Zuvor schon wurde 40 Jahre lang in Hawaii eine ähnliche Langzeitstudie durchgeführt – der erste Meilenstein der Resilienzforschung überhaupt. Beide Studien und andere, ähnliche Untersuchungen kommen zu weitgehend übereinstimmenden Ergebnissen.
Resiliente Kinder weisen folgende Eigenschaften auf:
- sie sehen die Welt und ihre Rolle in dieser Welt eher optimistisch;
- sie schätzen sich hoch, aber zugleich auch realistisch ein;
- sie betrachten Fehler und Hindernisse eher als Herausforderungen, die zu meistern sind;
- sie kennen ihre Stärken und Schwächen und können sich Hilfe und Unterstützung holen, wenn sie diese benötigen;
- sie setzen ich eher realistische Ziele und können dann ihre Energien und ihre Aufmerksamkeit darauf richten, anstatt sich in unerreichbaren oder irrealen Träumen zu verlieren.
Diese Fähigkeiten und Kompetenzen tragen dazu bei, dass Stressereignisse und Problemsituationen weniger als Belastung, sondern vielmehr als Herausforderung wahrgenommen werden.
Was macht Kinder glücklich und stark?
Nicht nur Persönlichkeitsmerkmale sind dafür ausschlaggebend, ob man sich als Kind glücklich und stark fühlt und die eigenen Herausforderungen bewältigt. Unsere Kinder haben höhere Chancen, sich günstig zu entwickeln, wenn sie folgende schützende Lebensbedingungen vorfinden:
- eine stabile, emotional-positive Beziehung zu mindestens einer Bezugsperson;
- ein Erziehungsstil, der von Wertschätzung und Akzeptanz dem Kind gegenüber geprägt ist;
- kompetente und fürsorgliche Erwachsene außerhalb der Kernfamilie, die als positive, mutige und Mut machende Vorbilder wahrgenommen werden;
- positive Freundschaften zu Gleichaltrigen;
- ein wertschätzendes Klima in den Bildungseinrichtungen.
Resilienz fördern – aber wie?
Resilienz ist durchaus erlernbar. Zwar ist kein Mensch immer gleich widerstandsfähig, doch inzwischen weiß man, dass die Wurzeln für die Entwicklung von Resilienz einerseits in der Persönlichkeit des Menschen selbst liegen, andererseits auch in der Lebensumwelt. Und beides lässt sich positiv beeinflussen, je früher, desto besser.
Gerade im Kindes- und Jugendalter lassen sich mit kompetenter Unterstützung wirkungsvolle Resilienzstrategien entwickeln, sowohl für den Umgang mit akuten, individuellen Stresssituationen als auch für den gezielten Aufbau eines nachhaltigen persönlichen „Stressmanagements“ [4]. Doch auch Erwachsene können davon profitieren.
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Quellen und weiterführende Links:
COPSY-Studie: Ergebnisse der dritten Befragungsrunde liegen vorBelastungen von Kindern, Jugendlichen und Eltern in der Corona-PandemiePressemitteilung von 09.02.2022 zu den Ergebnissen der dritten Befragungswelle der COPSY-StudieResilienz – Was Kinder stark machtKinder stark machen