Bitterstoffe, mehr als eine Verdauungshilfe

Chicoree
Von Natur aus bitter, aber durch moderne Züchtungen auf mild und gefällig getrimmt. | Bild: barmalini – Adobe Stock

Bittere Obst- und Gemüsesorten sind oft unbeliebt und damit rar geworden. Das könnte sich bald ändern, denn das Stiefkind unter den Geschmacksrichtungen erlebt ein Comeback. Und das ist gut so. Denn viele Bitterstoffe, mit denen sich Pflanzen vor Fressfeinden schützen, sind für unsere Gesundheit sehr wertvoll. Nicht umsonst haben bitter schmeckende Pflanzen in der Naturheilkunde eine lange Tradition. Sie helfen unserer Verdauung auf die Sprünge, regulieren den Appetit und tun der Leber gut. Wie Sie sich am besten mit Bitterstoffen versorgen, erfahren Sie hier.

Die Abneigung gegen Bitteres ist uns angeboren. Und das nicht ohne Grund. Was bitter schmeckt, kann potenziell giftig sein. Für unser Überleben spielt dieser Urinstinkt heute kaum noch eine Rolle. Wir wissen, dass Brokkoli und Co. nicht giftig, sondern im Gegenteil gesund sind. Ihren herben Geschmack aber mögen die wenigsten. Tatsächlich ist „bitter“ eine gewöhnungsbedürftige Geschmacksrichtung. Und das im Wortsinn. Während Babys auf Bitteres noch mit Abscheu reagieren, können wir mit der Zeit lernen, den Geschmack zu tolerieren, wenn nicht gar zu schätzen. Ein gutes Beispiel dafür ist Kaffee. Zusätzlich variiert die Geschmackswahrnehmung für „bitter“ von Mensch zu Mensch.

Was sind Bitterstoffe?

Bitterstoffe umfassen ganz unterschiedliche chemische Verbindungen, die – wie der Name sagt – bitter schmecken. Natürliche Bitterstoffe kommen in vielen Pflanzen vor. Als Gifte wehren sie Fressfeinde ab. Bei den meisten Pflanzen ist die Menge aber so gering, dass übliche Verzehrmengen für den Menschen nicht gefährlich sind. Zu den Bitterstoffen zählen etwa das Cynarin in der Artischocke, Absinthin im Wermut und die bitterste natürliche Substanz aus dem Gelben Enzian, das Amarogentin.

Die Wirkung von Bitterstoffen

Alte Kräuterbücher bescheinigen bitteren Heilpflanzen eine Wirkung gegen zahlreiche Krankheiten und Beschwerden. Möglicherweise nicht zu Unrecht. Wie man heute weiß, gibt es in fast allen Organsystemen Bitterrezeptoren. Diese Erkenntnis steigerte das Interesse der Wissenschaft an den Bitterstoffen und ihrer Bedeutung etwa für das Immunsystem und die Therapie von Atemwegserkrankungen. Intensiv erforscht wird der Bitterstoff Chinin bei der Bekämpfung von Covid-19. Ob Bitterstoffe das Potenzial zum einst beschworenen „Allheilmittel“ haben, wird sich zeigen. Erfolgreich eingesetzt und positiv bewertet gilt ihre Wirkung bei Magen-, Darm- und Gallenbeschwerden (z. B. Sodbrennen, Völlegefühl und Blähungen) sowie bei Appetitlosigkeit. Da der Begriff „Bitterstoffe“ eine Vielzahl unterschiedlicher Stoffe in sich vereint, ist Bitterstoff auch in puncto Wirkung nicht gleich Bitterstoff. In pflanzlichen Arzneimitteln werden deshalb meist mehrere bitterstoffhaltige Heilpflanzen kombiniert, die auf unterschiedliche Bereiche der Verdauung einwirken (z. B. in Digesto Hevert Verdauungstropfen).

Bitterstoffe in der Nahrung oder als Präparat?

Selbst klassisches Bittergemüse wie Radicchio, Gurken oder Chicorée schmeckt heute kaum noch bitter. Das liegt nicht nur an geschmacklich veränderten Züchtungen. Werden Pflanzen mit Pestiziden behandelt, produzieren sie nicht mehr so viele Bitterstoffe. Den Bitterstoffen zuliebe ist deshalb eine gezielte Lebensmittelauswahl empfehlenswert. Das heißt: Besser Obst und Gemüse aus Bioanbau sowie alte Sorten, die man auf Bauernmärkten finden kann, als Massenware aus dem Supermarkt. Eine gute Wahl sind auch Wildkräuter, die wie Brennnessel, Löwenzahn oder Giersch in vielen Gärten zu finden sind. Auch in Getränken stecken Bitterstoffe. Nicht umsonst schwören viele auf einen Espresso oder Magenbitter nach dem Essen. Wer auf Koffein und Alkohol verzichten möchte, wird in der Apotheke fündig: Dort gibt es eine Vielzahl an Bitterstoff-Präparaten wie Leber- und Magentee, Bittertropfen oder spezielle Frischpflanzensäfte.