Naturheilkunde: altes Heilwissen aus Asien, Amerika und Europa

Schon in der indianischen Heilkunst wurde sich natürlicher Mittel bedient, um Krankheiten zu behandeln.

Das Wissen aus verschiedenen Kulturen der Welt kommt der heutigen europäischen Naturheilkunde zu Gute. | Bild: zolnierek – Adobe Stock

„Gottes Apotheke ist groß, er hat für jedes Leiden ein Pflänzlein wachsen lassen.“ Der Arzt Paracelsus (ca. 1493 – 1541) brachte mit diesem Ausspruch auf den Punkt, was die meisten alten Naturheilkundesysteme miteinander vereint. Von Heilern und Medizingelehrten wurden ohne moderne Forschungsmethoden, beispielsweise in Asien und Europa, hochwirksame Heilpflanzen entdeckt und sich ähnelnde Behandlungsmethoden entwickelt.

Naturheilkunde – altes Heilwissen der Indianer, Europäer und Asiaten

Sicherlich am bekanntesten ist uns Europäern die Schwitzhütten-Zeremonie, die von vielen Indianerstämmen in Nordamerika nicht nur für Reinigung von Seele und Geist, sondern auch zur Stärkung der Immunabwehr oder Linderung von Gelenk- und Gliederschmerzen eingesetzt wurde. Durch das vorhergehende Fasten wurde die Wirkung starken Schwitzens in Verbindung mit der Verdampfung ätherischer Öle noch verstärkt.

Signaturen als Hinweis auf die Pflanzenwirkung

Mittlerweile sind 673 indianische Heilkräuter bekannt; sie werden auch in der modernen Medizin mit Erfolg eingesetzt. Der Vitamin C-reiche Saft der Feigenkakteen wurde zum Beispiel in der indianischen Heilkunst verwendet, um Skorbut erfolgreich zu behandeln. Auch kannte man bereits die antibiotische Wirkung von Schimmelpilzen, die sich in modrigen Rinden von Eichenstämmen befanden.

Die Ureinwohner Amerikas waren allgemein sehr scharfe Beobachter der Natur und der Wirkung von Heilpflanzen auf den menschlichen Körper. Dieses alte Heilwissen war ein wichtiger Bestandteil indianischer Heilkunst und Kräuter die Domäne der Frauen. Sie verwendeten Heilpflanzen oft im Hinblick auf ihre symbolische Bedeutung. Hatte eine Pflanze eine ähnliche Form oder Farbe wie ein Hautausschlag, wurde sie dafür eingesetzt. Dieses Prinzip wird in der Kräutermedizin als „Signatur“ bezeichnet. Man suchte nach Heilpflanzen, deren Äußeres, also Farbe, Form, Geruch oder Größe Aufschluss über die Wirkung im Menschen geben sollte. Auch die Ähnlichkeit zu einem menschlichen Körperteil galt als Hinweis, denn die Signaturenlehre ging davon aus, dass jeder Pflanze eine höhere Kraft innewohnte, die vom Menschen erkannt werden müsse.

Ein Beispiel liefern die uns wohlbekannten durchblutungsfördernden und erwärmenden Heilpflanzen Cayenne-Pfeffer und Chili oder kühlende und stark wasserhaltige Pflanzen wie Melone, Gurke und Kürbis. Die Ureinwohner Amerikas unterscheiden allerdings nicht nur nach der Wirktemperatur, sondern auch nach männlichen und weiblichen Pflanzen.

Die Kräuterheilkunde der Traditionellen Chinesischen Medizin arbeitet ähnlich

Die Entsprechung von Krankheitsbild und Pflanzencharakteristik ist ein Prinzip, das noch heute in der Homöopathie oder in der Kräutertherapie der Traditionellen Chinesischen Medizin angewendet wird. So erinnert die indianische Einteilung von Heilpflanzen nach Thermik und Signatur stark an die Kräuterheilkunde der Traditionellen Chinesischen Medizin. Danach unterscheidet man die Wirkung der Kräuter nach dem therapeutischen Geschmack: scharf bewegt und zerstreut die Körperflüssigkeiten, süß baut sie auf, sauer zieht sie zusammen, salzig löst sie auf, bitter senkt sie ab. Darüber hinaus ist das Temperaturverhalten und die Wirkrichtung der Kräuter die Basis für die zugesprochene Wirkung. Populär sind Kräuter wie Cinnamomi ramulus (Zimtzweig), das durch seine aromatische Schärfe die Muskeln und Hautschichten des Körpers wärmen soll (Wirkungen: heiß, scharf-süß, expandierend und die Zirkulation fördernd), oder Poria sclerotium cocos albae, ein fade schmeckender weißer Pilz, der als Diuretikum zur Ausscheidung von angesammelter Feuchtigkeit im Körper (Ödeme, Durchfall, Husten mit Schleimauswurf, etc.) verwendet wird (Wirkung: neutral in der Temperatur, süß-fade im Geschmack, trocknend, absenkend). Die Chinesen kennen ebenfalls Signaturen. So haben rote Kräuter einen Bezug zum Funktionskreis Herz und schwarze Wurzeln oder aus dem Wasser gewonnene Kräuter Bezug zum Funktionskreis Niere, die auch anatomisch eine dunkle Farbe aufweist.

Indianische Heilkunst – Religion und Medizin nicht trennbar

Die Signaturenlehre war auch in der europäischen Naturheilkunde beliebt. Erst gegen Ende des Mittelalters kam es zur Entmystifizierung der Natur. Im aufkommenden naturwissenschaftlichen Weltbild begann man, die Inhaltsstoffe der Pflanzen für deren Heilwirkung verantwortlich zu machen. Doch dieser Wandel hin zur Rationalisierung, den auch die Chinesische Medizin später vollzog, hat in der indianischen Medizin nicht stattgefunden.

Geistervorstellungen sind in der indianischen Heilkunst stark vertreten – man kann also Dinge tun, die den Zorn der Geister erregen, der dann zu einer Krankheit führt. Um das zu verhindern, begibt man sich in den Schutz eines guten Heilers. Er kann entwichene gute Geister wieder zu ihren menschlichen Besitzern zurückführen oder die Gemeinschaft vor bösen Geistern schützen, indem er sie zurückdrängt oder beschwichtigt.

Naturheilkunde – Aderlass, Schröpfen und Pulsdiagnostik weltweit bekannt

Indianer, Europäer und Asiaten haben diese tradierten Behandlungs- und Diagnoseverfahren der Naturheilkunde größtenteils unabhängig voneinander entdeckt und angewendet. Der Aderlass zum Beispiel ist in China seit ca. 3.000 Jahren bekannt, wurde bei uns vor allem im Mittelalter als Allheilmittel eingesetzt und taucht im peruanischen Schamanismus ebenfalls unter dem Begriff „Pinchar“ auf. Ebenso ist den peruanischen Schamanen das Schröpfen („Ventosa“) geläufig und es sind insgesamt 18 verschiedene Pulsarten bekannt, die auf den inneren Zustand des Patienten schließen lassen. Die chinesische Medizin kennt gar 28 Pulsbilder und hat dieses Verfahren perfektioniert, so dass es auch heute noch in chinesischen Kliniken bei jedem Patienten angewendet wird. In Europa reicht die Pulsdiagnostik bis zum 5. Jahrhundert v. Chr. zurück, als Diogenes von Apollonia und Hippokrates verschiedene Pulse an Schläfen, Hand, Lenden, Knien etc. untersuchten. Die alten Griechen unterschieden 10 verschiedene Pulsbilder hinsichtlich Größe, Kraft, Geschwindigkeit, Härte oder Fülle. Manche Pulse hatten aufgrund ihrer besonderen Qualität sogar bildhafte Namen wie ameisenartig oder mausschwänzig. Mithilfe der Pulsdiagnose wurde die energetische Gesamtverfassung des Menschen analysiert und vor dem Hintergrund bestimmter Symptome gedeutet. Auch die Ayurveden benutzen übrigens die Pulsdiagnose, um die Lebensenergie oder „Doshas“ sowie vorliegende Störungen am Patienten zu diagnostizieren.

Insgesamt lässt sich ein Trend beobachten, der diesen alten Heilverfahren zu neuem Aufschwung verhilft. Bei den letzten olympischen Spielen wurden zahlreiche Top-Athleten gesichtet, die merkwürdige ringförmige Blutergüsse an Schultern und Rücken trugen. Sie hatten sich zur Leistungssteigerung und gegen Muskelverhärtungen vorher Schröpfgläser aufsetzen lassen. Aber auch der Aderlass ist wieder im Kommen. Durch Entnahme von ca. 150 – 500 ml Blut reagiert der Organismus mit einem sofortigen Druckausgleich in den Blutgefäßen, indem er Flüssigkeiten aus dem umliegenden Gewebe in das Gefäßsystem hineinzieht. Dadurch sinkt die Viskosität (Zähflüssigkeit) des Blutes und seine Fließeigenschaften verbessern sich. An den Blutgefäßwänden abgelagerte Eiweiße werden gelöst, wodurch einer Arteriosklerose vorgebeugt wird. Auch soll der Harnsäurespiegel sinken, was bei Gicht, Rheuma und Arthritis hilfreich sein kann. Im europäischen Mittelalter war der Aderlass ein häufiges, aber durchaus gefährliches Verfahren. Mangelnde Hygiene führte allzu oft zu Blutvergiftungen, denn man kannte nur Essig für die Desinfektion. In anderen Fällen wurde der Aderlass übertrieben oft angewendet, so dass die Betroffenen wegen Blutmangels in Lebensgefahr gerieten.