Glücklich sein in der Krise – darf ich das?
Glücklich sein und Corona – wie passt das zusammen? Die Pandemie, die wir seit Frühjahr 2020 erleben, hat Vieles in Frage gestellt und in einem neuen Licht erscheinen lassen: unsere persönlichen Einstellungen und Beziehungen, unser Wertesystem und vielleicht sogar unseren Lebenssinn. Das Gute daran ist, dass es sich dabei um Faktoren handelt, die wir durch unser Denken und Handeln verändern können. Wir haben die Möglichkeit, unser Glücklichsein nachhaltig zu beeinflussen.
Doch wie wird man glücklich? Und wieso ist Glücklichsein gerade in schwierigen Zeiten so wichtig? Erfahren Sie in diesem Artikel mehr darüber:
- Was ist Glück überhaupt?
- Ist Zufriedenheit messbar?
- Wird einem das Glück in die Wiege gelegt?
- Was machen glückliche Menschen anders?
Diese und andere Fragen stellen sich Wissenschaftler seit einiger Zeit im Auftrag der United Nations (UN) regelmäßig im Rahmen des „World Happiness Report“.
Der Anlass dafür ist, dass mittlerweile viele Regierungen und deren Gesundheitssysteme die Zufriedenheit der Bevölkerung als ein Maß für gesellschaftlichen Fortschritt anerkennen. Sie erhoffen sich dadurch, psychischen Erkrankungen künftig besser vorbeugen zu können. Zudem kommen Menschen mit einer positiven Lebenseinstellung besser mit körperlichen Leiden zurecht und weisen auch eine höhere Lebenserwartung auf. Manche Staaten haben sogar das „Recht auf Streben nach Glück“ in ihren Verfassungen verankert.
Was ist Glück überhaupt?
Glück wird oft als Moment wahrgenommen, Glücklichsein kann aber auch Lebenseinstellung sein: Es bezieht sich auf die vielfältigen Gefühle, die wir jeden Tag erleben, aber auch auf die allgemeine Zufriedenheit mit unserem Leben. Unsere Kindheit und unsere aktuellen äußeren Umstände, wie Gesundheit, Arbeit und die finanzielle Sicherheit, haben maßgeblich Einfluss darauf, wie glücklich wir uns fühlen.
So ist dem „World Happiness Report 2019“ zufolge Finnland das Land mit den glücklichsten Bewohnern, dicht gefolgt von Dänemark, Norwegen und Island. Unsere Nachbarländer Niederlande mit Platz 5, die Schweiz auf Platz 6 und Österreich auf Platz 10 haben Deutschland, das auf Platz 17 gelandet ist, in Sachen „Glücklich leben“ wohl Einiges voraus.
Doch woran kann es liegen, dass einzelne Länder, die sich global betrachtet vom Wohlstand und der geografischen Lage her nicht wesentlich voneinander unterscheiden, bei der „Glücksmessung“ so unterschiedlich abschneiden? Dies führen die Forscher auf Unterschiede beim Einkommen, der sozialen Absicherung und den zu erwartenden gesunden Lebensjahren zurück. Auch Vertrauen, Großzügigkeit und das Gefühl, in wichtigen Lebensfragen frei entscheiden zu können, war für die Befragten wichtig.
Ist Zufriedenheit messbar?
„Mit dem Glück geht es wie mit der Brille: Man hat sie auf der Nase und weiß es nicht.“ Dies ist nur eines von zahlreichen Sprichwörtern und Redensarten rund um Glück und Zufriedenheit. Wie weiß ich also, ob ich zufrieden bin oder wie glücklich ich mich schätzen darf? Und wie lässt sich das sehr persönliche und subjektive Empfinden von Lebenszufriedenheit überhaupt vergleichen?
Zum Erfassen des „subjektiven Wohlbefindens“ haben sich zwei Methoden bewährt: Zum einen werden die Teilnehmer von Glücksstudien dazu befragt, wie zufrieden sie mit ihrem Leben insgesamt sind. Die zweite Methode wiederum untersucht das Verhältnis von positiven und negativen Emotionen zum Zeitpunkt der Befragung. Da jedoch nicht in allen Ländern beide Methoden gleichermaßen angewandt werden, stützt sich der „World Happiness Report“ im Wesentlichen auf die Einschätzung der allgemeinen Lebenszufriedenheit.
Wird einem das Glück in die Wiege gelegt?
Zwar hat die Glücksforschung inzwischen genügend Anhaltspunkte auf biologischer Ebene dafür gefunden, dass unsere Gene einen wesentlichen Einfluss auf unser generelles Glücklichsein haben – beispielsweise weisen eineiige Zwillinge mehr Gemeinsamkeiten bezüglich ihrer Lebenszufriedenheit auf als zweieiige.
Doch was bewirken die „Glücksgene“ im Körper genau? Laut der „Dänen-Studie“ von Proto und Oswald, weisen die Bewohner Dänemarks, dem zweitglücklichsten Land der Welt im Jahr 2019, seltener eine Veränderung der Gene auf, welche die Wiederaufnahme des Glückshormons Serotonin erhöhen. Dasselbe gilt für Menschen, die den Dänen genetisch sehr ähnlich sind. Dies ist aber wohl nur eine von zahlreichen Varianten im Erbgut, die für das Glückspotential des Einzelnen verantwortlich sind.
Da die Wechselwirkungen zwischen genetischer Veranlagung und Umweltfaktoren sehr komplex sind, ist der tatsächliche Einfluss unserer Erbfaktoren auf unser Glücksempfinden noch nicht vollständig geklärt. Das Forschungsteam um Sonja Lyubomirsky von der University of California in der US-Stadt Riverside führt rund 50 Prozent unserer Lebenszufriedenheit auf genetische Veranlagung, 10 Prozent auf die Lebensumstände und die übrigen 40 Prozent auf unsere eigenen gewollten und beabsichtigten Handlungen und Einstellungen zurück.
Was machen glückliche Menschen anders?
Interessant ist, dass laut dem „World Happiness Report“ weder eigene Kinder noch Geld eine Garantie für persönliche Zufriedenheit sind. Weltweit betrachtet kann sich eine Elternschaft unter Umständen sogar negativ auf das Glücksempfinden auswirken z.B. aufgrund damit verbundenem zusätzlichem Stress und Problemen. Und in Sachen Geld kommt es darauf an, dass nicht allein der Vermögensbesitz glücklich macht, sondern auch die Art und Weise, wie man das Geld ausgibt: Für die Zufriedenheit förderlich ist es laut der Wissenschaftler, das Geld für unvergessliche Erlebnisse und zur Freude anderer auszugeben, anstatt es in materielle Güter zu investieren.
Fürsorge für sich und andere scheint also ein wesentlicher Schlüssel zum Glück zu sein. So wurde unlängst die Initiative ACTION FOR HAPPINESS ins Leben gerufen. Sie ist Teil einer weltweiten sozialen Bewegung von Menschen, die sich für eine glücklichere und mitfühlendere Gesellschaft einsetzen, in dem Sinne, dass das Glück, welches man anderen beschert, großen Einfluss auf das eigene Glücklichsein haben kann.
Zu ACTION FOR HAPPINESS sind alle Menschen eingeladen, sich je nach persönlichen Möglichkeiten und Interessen aktiv oder passiv zu beteiligen. Es werden online und auf lokaler Ebene zahlreiche Aktionen, Hilfestellungen und Inspirationen angeboten, die dazu beitragen können, bei sich selbst und anderen das Empfinden von Zufriedenheit, Glück, Teilhabe und Vertrauen zu wecken und zu stärken.
Die Antwort auf die Frage „Darf ich in der Krise überhaupt glücklich sein?“ lautet also: Sie dürfen nicht nur, Sie sollten es!
Quellen und weiterführende Links:
The World Happiness ReportDie fünf großen Fragen der GlücksforschungWovon unsere Lebenszufriedenheit abhängtNational Happiness and Genetic Distance: A Cautious ExplorationRevisiting the Sustainable Happiness Model and Pie Chart: Can Happiness Be Successfully Pursued?Selbstfürsorge-September 2021