Barfußlaufen ist gesund: Mythos oder Wahrheit?

Mythos oder Wahrheit? Verändert häufiges Barfußgehen die Fußform? Bild: psdesign1 | fotolia

Mythos oder Wahrheit? Verändert häufiges Barfußgehen die Fußform? Bild: psdesign1 | fotolia

Evolutionär gesehen ist der Mensch für das Barfußlaufen gemacht. Der Mensch ging, rannte und jagte in der Steinzeit barfuß – zu jeder Jahreszeit und bei jedem Wetter. Doch diese Zeiten sind längst vorbei. Heutzutage zwängen wir unsere Füße in enges Schuhwerk, dem meistens andere Anforderungen auferlegt sind als die Fußgesundheit zu unterstützen. Zum Beispiel die Bequemlichkeit.

Dämpfung, Sohle und Halt eines Schuhs nehmen den Füßen größtenteils die Arbeit ab, und so verkümmert die Fußmuskulatur. Sie sorgt eigentlich zusammen mit einem raffinierten Geflecht aus Bändern und Sehnen dafür, dass das Fußskelett stabilisiert und zu einem Längsgewölbe aufgerichtet wird. Wer häufig barfuß geht, sorgt daher für die Kräftigung seiner Fußmuskulatur und trägt zu einer guten Körperstatik bei. Im Sommer ist diese Art der Fortbewegung aufgrund der milden Temperaturen sehr angenehm. Aus medizinischer Sicht sprechen viele gesundheitliche Aspekte für einen regelmäßigen Verzicht auf Schuhe, um unsere Füße stark, geschmeidig und gesund zu halten. Doch gegen Barfußläufer gibt es nach wie vor viele unberechtigte Vorurteile.

3 Barfuß-Mythen

Ulrich Conrad läuft seit 33 Jahren barfuß durch Berlin. Trotzdem sehen seine Füße sehr gepflegt aus. Er berichtet, dass er immer wieder auf Menschen trifft, die das Barfußlaufen unanständig finden und für unhygienisch halten. Sicherlich lauern heutzutage in der Zivilisation unangenehme Fallen auf Barfußläufer, wie Zigarettenkippen, klebrige Kaugummis oder Glasscherben. Tatsächlich lässt sich der Schmutz der Straße aber leichter von Füßen entfernen als von Schuhen. Vielleicht gehen die Vorurteile sogar auf die Hippies zurück, die den Verzicht auf Schuhwerk als Freiheitsbekundung verstanden – entweder aus Protest gegen das Establishment oder um in direkten Kontakt mit den Elementen der Natur zu treten. Rio Reiser, Joan Baez und viele andere traten barfuß vor Publikum auf. Bei näherer Betrachtung entpuppen sich dann auch die meisten populären Ansichten als Mythen.

Mythos Blaseninfektion
Es wird immer wieder behauptet, Barfußlaufen führe durch Verkühlen zu häufigen Blasen- und Nierenbeckenentzündungen. Urologische Erkrankungen werden allerdings nur durch Viren und Bakterien verursacht, die sich ständig in unserem Körper befinden. Diese Infekte treten erst dann auf, wenn unser Immunsystem zu schwach ist, sie in Schach zu halten. Doch Barfußlaufen stärkt das Immunsystem, da es die Venenpumpe aktiviert und damit die Durchblutung fördert.

Mythos Fußpilz
Hartnäckig hält sich das Gerücht, Barfußläufer würden sich schnell mit Fußpilz anstecken. Pilzsporen sind tatsächlich allgegenwärtig, gedeihen jedoch besonders gut in dunklem, feucht-warmem Milieu. Genau das entsteht, wenn Füße an feuchten Orten, wie im Schwimmbad, zunächst Pilzsporen ausgesetzt sind und dann für viele Stunden in Socken und festem Schuhwerk stecken. So verpackt, schwitzen Füße schnell und können nur wenig ventilieren. Daher bezeichnet man im Englischen Fußpilz auch als „Athlete’s Foot“ (Sportlerfuß). Fußpilzinfektionen bedürfen zudem einer dünnen und durchlässigen Hautbarriere. Diese natürliche Schutzschicht wird beim Barfußlaufen jedoch gestärkt, der Fuß wird gegen Pilze sogar resistenter.

Mythos Schwielen
Barfußlaufen führt auch nicht zu einer dicken, unansehnlichen Hornhaut oder Schwielen an den Fußsohlen. Diese treten eher bei ungeeigneten Schuhen auf. Während des Barfußlaufens wird eine Vielzahl von Bändern, Sehnen und Muskeln aktiviert, damit der Körper auf Fehlbelastungen und -stellungen schnell reagieren kann. Ein gesunder Gang und gutes Abrollen der Füße lässt punktuelle Abriebbelastungen aber gar nicht erst entstehen. Plattfüße, verkrümmte Zehen, Entzündungen und Verschleiß – das sind eher die Folgen von ungeeigneten Schuhen, mit denen wir den ganzen Tag lang auf künstlichen Böden herumlaufen.

Zivilisationserkrankungen durch Schuhwerk

Mangelndes Training der Fußmuskulatur führt zu vielerlei Fehlstellungen, wie dem Spreizfuß, Knickfuß, Senk- und Plattfuß, Hammerzehen oder dem Fersensporn.

Genau betrachtet fördert das Barfußgehen die Fußgesundheit. Bild: Jürgen Fälchle | fotolia

Genau betrachtet fördert das Barfußgehen die Fußgesundheit. Bild: Jürgen Fälchle | fotolia

Spreizfuß
Beim Spreizfuß sinkt der Querbogen ein und es kommt zu einem gespreizten Fußballen. Dadurch werden die Sehnen der Zehenbeuger verformt und es kommt zu messerstichartigen Schmerzen.

Knickfuß
Beim Knickfuß knicken unter Belastung Längs- und Quergewölbe im Bereich des Mittelfußknochens ein. Der Fuß wird in die Länge gedrückt und es kommt zu Durchblutungsstörungen, Schwellungen, Zehenverformungen etc.

Senk- und Plattfuß
Eine Folge des Knickfußes ist der Senkfuß, der schließlich im Plattfuß endet. Dabei werden die Muskeln, Bänder und Sehnen des Fußes gezerrt und die Fußknochen aus ihrer Position geworfen. Das führt zu Schmerzen, die nicht nur in den Beinen, Hüften oder der Wirbelsäule auftreten, sondern sich sogar als Kopfschmerzen bemerkbar machen können.

Hammerzehen
Bei übermäßigem Druck auf den Fußballen durch spitze, enge und hochhackige Schuhe werden die Zehen reflexartig angezogen. Hammerzehen treten daher gehäuft zusammen mit Hallux Valgus (Schiefstand des Großzehs nach innen) auf. Die Großzehe drängt die Nachbarzehe ebenfalls nach innen und in eine gebeugte Stellung.

Fersensporn
Der Fuß senkt sich mit zunehmendem Alter immer weiter ab und wird platter. Dadurch werden die Sehnen unter dem Fuß gedehnt und möglicherweise gereizt. Das führt in einigen Fällen zu Entzündungen und Verkalkungen am Sehnenansatz. Als Therapie kommen Ultraschallwellen zum Einsatz, die die Verkalkungen zertrümmern.

Für die Gesundheit ein wichtiges Naturtherapeutikum

Es wird angenommen, dass der Fuß über zahlreiche Reflexzonen verfügt, die über das Nervensystem mit den inneren Organen verschaltet sind. Beim Barfußlaufen wird daher der gesamte Organismus angeregt und der Blutdruck reguliert. Schon dem Gesundheitspfarrer Sebastian Kneipp war bekannt, dass davon auch das Immunsystem und der Kreislauf profitieren. Er entwickelte das Barfußtreten und empfahl es zum Beispiel überlasteten Studenten, um den Kopf freizubekommen. Gleich nach dem Aufstehen sollten sie mit warmen Füßen zwei bis drei Minuten über taufrisches Gras oder etwa eine halbe Minute durch den Schnee laufen. Tagsüber sollten sie dann so oft wie möglich barfuß gehen und die Füße in kaltes Wasser tauchen. Idealerweise beginnt man damit im Sommer und arbeitet sich dann in die kälteren Jahreszeiten vor.

Durch Barfußlaufen Psyche und Körper entspannen

Barfußlaufen ist ebenfalls eine wirksame Methode, um Psyche und Körper zu entspannen. Die zahllosen Nervenenden in den Fußsohlen lassen im Gehirn ein sehr differenziertes Bild über die Beschaffenheit des Untergrundes entstehen. Für die durch Schuhe abgestumpften Sinne kommt das einem Aha-Erlebnis gleich. Noch weitere positive Wirkungen des Barfußlaufens gefällig? Es stärkt die Venen und beugt dadurch Krampfadern vor, fördert die Konzentration und unterstützt die Wirbelsäule. Das Geheimnis: regelmäßig üben!

Füße an das Barfußlaufen gewöhnen


Wer untrainiert barfuß läuft, ärgert sich schnell über spitze Steine und stößt sich öfters an scharfen Ecken und Kanten. Doch unsere Füße besitzen mehr Sinneszellen als unser Gesicht, und diese sorgen dafür, dass unsere Füße sehr intelligent mit dem zu bewältigenden Terrain umgehen. Ungefähr 72.000 Nervenenden befinden sich in unseren Fußsohlen. Nach einiger Übung erhöht sich die Wahrnehmungsfähigkeit unserer Füße für den Untergrund, wir heben sie höher an beim Laufen und das Abrollen wird sauberer. Somit hat ein geübter Barfußläufer auch ein geringeres Risiko, sich zu verletzen.

Es dauert bis zu einem Jahr regelmäßiger Übung, bis wir wieder in der Lage sind, auf fast allen Untergründen problemlos barfuß zu laufen. Der Fuß muss sich langsam wieder an die Belastung gewöhnen, damit es nicht zu Überlastung oder Verletzungen kommt. Die Epidermis verdickt sich dabei auf natürliche Weise, ganz ohne Schwielenbildung. Am besten beginnt man mit dem Training im Sommer, um die Füße langsam an die ungewohnte Belastung zu gewöhnen.

Vorsichtig sollten Menschen mit Fußfehlstellungen oder Arthrose sein. In solchen Fällen kann es sinnvoll sein, die Beweglichkeit der Füße durch feste Schuhe einzuschränken und die Gelenke ruhig zu stellen. Auch Diabetiker, die an Missempfindungen der Füße leiden (Polyneuropathie), sollten es nicht übertreiben, da sie Überlastungen oder spitze Gegenstände durch die verringerte sensorische Wahrnehmung unter Umständen zu spät bemerken.