Agoraphobie (Platzangst): Zeit der Feste, Zeit der Angst

Menschen mit einer sozialen Phobie treffen Entscheidungen oft basierend auf ihrer Angst und vermeiden viele Situationen.

Im Sommer und im Herbst gibt es viele Anlässe für Feste. Menschen mit Agoraphobie (Platzangst) scheuen sich häufig davor. | Bild: Kzenon – Fotolia

Zittrige Hände, Herzrasen, Schwitzen – manche Menschen bekommen Panikattacken, wenn sie sich in einer Menschenmenge befinden. Bei Festen treffen viele Menschen aufeinander. Darunter sind auch immer welche, die an Agoraphobie oder einer sozialen Phobie leiden. Erstere wird häufig irrtümlicherweise mit der Klaustrophobie verwechselt. Woher kommt die Platzangst und wie sieht die Behandlung einer Agoraphobie aus?

Das lesen Sie in diesem Artikel:

Angst ist eine normale Emotion
Soziale Phobie: Angst, sozial nicht akzeptiert zu werden
Agoraphobie und Klaustrophobie werden häufig verwechselt
Agoraphobie: Starke Symptome
Angststörungen: Frauen häufiger betroffen
Angststörungen: Entstehung und Ursachen
Agoraphobie: Behandlung

Angst ist eine normale Emotion

Angst zu haben, ist ein normales und wichtiges Gefühl. Diese Emotion ist evolutionär vom Menschen ausgebildet worden, um Gefahrensituationen selbständig und erfolgreich zu meistern. Denn Angst setzt Energien frei, die nötig sind, um Schutzmaßnahmen zu ergreifen oder Herausforderungen anzunehmen. Dafür schüttet der Körper vermehrt Stresshormone wie Adrenalin und Cortisol aus. Wer Angst hat, spürt es am ganzen Körper: Die Hände beginnen zu zittern, es kommt zu Schweißausbrüchen, der Atem wird schneller und der Blutdruck schnellt nach oben. Haben die Betroffenen die akute Stressphase überstanden, fühlen sie normalerweise deutliche Entspannung. Ob Angst krankhafte Züge hat, hängt daher vom Ausmaß und der Dauer dieses Zustandes ab. Bestimmt sie zum großen Teil den Alltag der Betroffenen, hat sich eine Angststörung entwickelt.

Soziale Phobie: Angst, sozial nicht akzeptiert zu werden

Angststörungen sind überaus vielfältig. Weit verbreitet ist die soziale Phobie. Menschen mit sozialer Phobie sind unsicher im Umgang mit anderen Menschen, sie haben große Angst davor, sich in zwischenmenschlichen Situationen zu blamieren. Negative Beurteilungen können sie nur schwer ertragen. Das Angstniveau ist individuell ausgeprägt: Während manche lediglich ein mulmiges Gefühl verspüren, überrollt andere eine regelrechte Angstwelle mit starken körperlichen Beschwerden. Menschen, die an einer sozialen Phobie leiden, versuchen, soziale Situationen zu vermeiden. Damit manövrieren sie sich in einen Teufelskreis, bei dem die Selbstunsicherheit immer weiter zunimmt. Außenstehende wissen häufig gar nicht, welche Qualen die Betroffenen durchmachen. Menschen mit einer sozialen Phobie treffen Entscheidungen oft basierend auf ihrer Angst – sei es bei der Partnerwahl, im Umgang mit Freunden oder im Beruf. Soziale Angststörungen entstehen oftmals durch eine schwierige Kindheit, in der die Eltern stark kontrollieren, überbehüten oder wenig emotionale Zuwendung geben. In der Jugend kommt die gesteigerte psychoemotionale Verwundbarkeit dann stärker zum Vorschein. In der Pubertät lösen sich die Kinder langsam aus der Familie, suchen häufiger Kontakt zu Gleichaltrigen und fremden Menschen. Die aus dem Elternhaus mitgebrachten Verunsicherungen treten deutlicher hervor. Bleibt eine soziale Phobie unbehandelt, kann sich eine Depression entwickeln.

Agoraphobie und Klaustrophobie werden häufig verwechselt

Platzangst zu haben bedeutet, Angst vor Menschenmassen zu haben.

Als geeignete Behandlungsmethode für Agoraphobie gilt die Konfrontationstherapie. | Bild: Florian Klamert – Fotolia

Auch die Agoraphobie ist eine Angststörung. Der Begriff Agoraphobie enthält das griechische Wort „agora“, es bedeutet Marktplatz. Deshalb bezeichnen deutschsprachige Experten sie auch als „Platzangst“. Das ist jedoch irreführend, denn im Volksmund bedeutet Platzangst die Angst vor engen, kleinen, abgeschlossenen Räumen beispielsweise Zugabteile oder Aufzüge. Der wissenschaftliche Name hierfür ist die Klaustrophobie. Als Agoraphobie bezeichnen Fachleute die Angst vor weiten, öffentlichen Plätzen und Menschenmengen. Die Betroffenen glauben, beispielsweise bei öffentlichen Veranstaltungen, an denen vielen Menschen teilnehmen, nicht flüchten zu können, in der Menge unterzugehen oder schlimmstenfalls sogar zu sterben. Die Bundestherapeutenkammer geht davon aus, dass in Deutschland derzeit rund 1,5 Millionen Menschen an Agoraphobie oder einer Panikstörung leiden. Da sich Menschen mit sozialer Phobie aber nicht immer offenbaren, lassen sich genaue Zahlen nicht ermitteln.

Agoraphobie: Starke Symptome

Damit die Platzangst nicht das Leben des Betroffenen bestimmt, ist eine frühe Behandlung angebracht.

Bei der Agoraphobie (Platzangst) verspüren Menschen starke Angstgefühle, wenn sie sich in Menschenmengen befinden. | Bild: tiero – Fotolia

Die mit einer Agoraphobie einhergehenden Panikanfälle lösen teilweise heftige körperliche Symptome aus. Die Betroffenen fangen an zu zittern, verspüren Schmerzen und einen starken Druck in der Brust. Andere wiederum haben starkes Herzklopfen, leiden unter Atemnot und Schwindelgefühlen. Im schlimmsten Fall kann es durch zu schnelles Atmen zu Krämpfen und Ohnmachtsanfällen kommen. Wie lange eine derartige Panikattacke anhält, ist unterschiedlich: Manchmal dauert sie gerade mal wenige Minuten, in anderen Fällen kann sie sich über Stunden hinziehen. Haben die Betroffenen ihre Angst überstanden, setzt eine starke Erleichterung ein, während die Symptome langsam verebben.

Angststörungen: Frauen häufiger betroffen

Frauen leiden etwa doppelt so häufig wie Männer an Angststörungen. Das kann daran liegen, dass Frauen sich stärker bestimmten Rollenbildern anpassen. Statt ihre eigene Gefühlswelt in den Fokus zu rücken, kümmern sie sich oft um die Bedürfnisse anderer. Auch hormonelle Veränderungen – beispielsweise durch eine Schwangerschaft und Geburt oder während der Menopause – werden als auslösende Faktoren diskutiert.

Angststörungen: Entstehung und Ursachen

Die Entstehung von Angststörungen kann verschiedene Ursachen haben, die in den meisten Fällen zusammenwirken:

  • Genetische Faktoren: Mediziner gehen davon aus, dass bestimmte Erbanlagen die Entstehung von sozialen Phobien begünstigen.
  • Belastende Ereignisse: Einschneidende Lebensereignisse wie der Tod oder die schwere Erkrankung nahestehender Personen spielen eine große Rolle für die Entwicklung von Angststörungen. Das kann auch eine nicht verarbeitete Trennung oder die traumatische Geburt eines Kindes sein. Häufig finden die Betroffenen aus dieser Krise nicht mehr alleine heraus und entwickeln eine soziale Phobie.
  • Familiäres Umfeld: Erkrankte haben oft ähnliche Ängste wie ihre Eltern. Sie übernehmen unbewusst Vermeidungsstrategien, die sie bei ihren Eltern beobachten. Wenn beispielsweise ängstliche Eltern ihre Kinder stark behüten, lernen diese nicht, mit Gefahrensituationen angemessen umzugehen.
  • Ungelöste Konflikte aus der Kindheit: Ängste treten häufig in Situationen auf, die die Betroffenen unbewusst an einen Konflikt oder ein Problem aus der Kindheit erinnern.

Agoraphobie: Behandlung

Eine Agoraphobie oder Platzangst sollte möglichst früh behandelt werden. Sonst besteht die Gefahr, dass der Alltag der Betroffenen dauerhaft eingeschränkt ist und die Phobie immer mehr Raum einnimmt. Als geeignete Behandlungsmethode für die Agoraphobie gilt die Konfrontationstherapie, bei der sich die Patienten mit ihren Ängsten auseinandersetzen müssen. Der Therapeut gibt ihnen den Rat, sich bewusst angstbehafteten Situationen zu stellen. So müssen sie sich beispielsweise in eine Menschenmenge wagen und diese Situation durchstehen. Dabei sollen sie die Erfahrung machen, dass die Situation nicht so schlimm ist wie befürchtet und die Angst nach kurzer Zeit verschwindet. Die Kosten für eine Therapie werden von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Zugelassen zur medikamentösen Behandlung sind Antidepressiva. Erkrankte sollten außerdem viel Sport treiben und andere Techniken, wie zum Beispiel Atemtechniken, erlernen, um sich selbst in Angstsituationen besser regulieren zu können. Homöopathische Arzneimittel wie Kava Hevert Entspannungstropfen und Calmvalera Hevert können nervöse Unruhe lindern und für Entspannung sorgen.

Tipp: Spezielle Einrichtungen bieten Hilfe für Betroffene:

  • Betroffene für Betroffene: Selbsthilfeverband für Soziale Phobie, Pyrmonter Str. 21, 37671 Höxter, www.vssps.de
  • Spezialambulanz für Angsterkrankungen: Charité – Universitätsmedizin Berlin, Charitéplatz 1, 10117 Berlin, Tel. 0 30/4 50 51 72 17 oder 4 50 51 72 44, www.angstambulanz-charite.de
  • Forschungsverbund soziale Phobie:www.sopho-net.de

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